von Jaqueline _K
Diplomatische Zwischenfälle
Es dauerte zwei Tage und einen Genvergleich, bis auch meinem Vater klar war, dass seine neue Vorzeigetochter nicht seine Tochter war sondern dieses heruntergekommene Emomädchen, das in der Küche in der Ecke saß und Kartoffeln schälte. Zwei Tage, in denen meine Mutter die neue Tochter auf ihren Präsentationstouren durch Kinderkrankenhäuser und Hilfswerke schleifte und sie so fern von allen Unterlagen meines Vaters hielt. Und ihren Leibwächter gleich mit. Zwei Tage, in denen mir klar wurde, dass es Gerechtigkeit für mich bei der Geschichte nicht geben würde. Denn wenn ich offiziell wieder auftauchen würde, so wie ich jetzt aussah, würde auch das einen diplomatischen Vorfall erzeugen. Und das genau war das größte Problem bei der Geschichte. Keiner der Beteiligten durfte das Gesicht verlieren. Zumindest nicht öffentlich. Nicht die Kroaten, nicht die Bosnier und vor allen nicht mein Vater. Also würden sie alles diplomatisch unter den Teppich kehren. Entsprechend betrübt saß ich Abends bei Tante Mag am Tisch.
„Was hast du kleines?”
„Ich werde wohl bald abreisen müssen”, sagte ich betrübt.
„Ohne dein Wiedersehen mit der Familie zu feiern?”
„Ja. Wenn das einer mitbekommt, wäre das ein diplomatischer Vorfall und das darf nicht passieren.” „Und deine Entführung?”
„Mein Teil davon ist nie passiert.”
„Die Rettung von Hans Schiff und die dazu gehörende Belobigung?”
„Auch nie passiert. Ich kann ja nicht an zwei Orten zu gleichen Zeit gewesen sein.”
„Und die Entführer?”
„Bekommen ein diplomatisches Dudu und dürfen gehen.”
„Wo bleibt da die Gerechtigkeit?”
„Die wird auf der Schlachtfeld der Diplomatie verraten. Hauptsache nach außen wirkt der schöne Schein.”
Tante Mag knetete ihre Finger. Das machte sie immer, wenn ihr etwas überhaupt nicht passte. Ihre Tochter machte die gleiche Geste. Plötzlich erhellte sich ihre Miene. Sie hatte wohl eine Idee.
„Lust auf ein bisschen eigene Diplomatie?”, fragtesie mit einem verschmitzen Lächeln.
„Ja, wenn es etwas Gerechtigkeit in die Sache bringt.”
„Okay. Also mir viel gerade ein, dass ich letztens mit einer Freundin aus der kroatischen Botschaft essen war. Die erzählte mir, dass der Herr Botschafter ein Faible für junge Mädchen hat. Keine seiner weiblichen Angestellten ist vor ihm sicher.”
„Aha und du denkst, weil ich Sex recht locker sehe und mit Elli und deinem Sohn gleichzeitig den Beischlaf fröhne, hab ich kein Problem, dem alten Lüstling zu verführen.”
Sie grinste und sagte „Ja.”
„Nein.”
„Doch. Er ist jung.”
„Und das macht es nicht besser.”
„Du sollst ihn nur verführen. Du sollst nicht mit ihm Schlafen.”
„Und wo soll ich den verführen?”
„In der deutschen Botschaft. In deinem Zimmer. Dabei lässt du dich von deinem Vater erwischen.”
„Der denkt doch eh schon, dass ich nur Dreck bin. Und da soll ich ihm das nochmal beweisen?”
„Du verstehst mich nicht. Was darf der Botschafter von Kroatien nicht verlieren? Sein Gesicht, was passiert, wenn er inflagranti mit der falschen Tochter, die eine kroatische Spionin ist, in der deutschen Botschaft bei beginnenden Koitus erwischt wird?”
„Eine bessere Verhandlungsposition für meinen Vater. Tante Mag? Du bist gerissen.”
„Danke.”
Zwei Stunden später war ich meinen Emolook los. Dafür hatte ich jetzt totschicke graue Kurzhaar Frisur, ein Make-up, dass mich zu einer Mischung aus Unschuld vom Land und Sexbomb machte und eines dieser Kleider in rot, die ich normal wie die Pest hasste. In dem Outfit hätte mich sogar mein Vater angebaggert. Da war ich mir sicher.
Nur die Sache mit den Heels verwarf ich ziemlich schnell. Ich war schon schlank und gross. Mit Heels würde ich bedenklich. Ich zog leicht erhöhte Sandalen an.
Dann ging es mit Elli und Antonia in die Disco. Der Botschafter war wirklich jung. Jung und aufdringlich. Es dauerte keine zehn Minuten und ich hatte zum ersten mal seine Hand am Hintern. Wohl gemerkt unterm Kleid. Ich ließ mich von ihm verführen. Bald hatte er uns drei in einem Separe, Cocktails, die ihren Weg heimlich in die Blumen fanden und mich auf seinem Schoss, seine Zunge in meinem Hals. Er war nicht übel. Wenn es nicht um die Diplomatie gegangen wäre, ich wäre wohl schwach geworden. So machte ich ihn erst so richtig heiß und dann sagte ich ihm, wenn er mehr wolle, dann nur bei mir.
Er war schon zu weit, als dass er noch klar denken konnte. Heimlich schleusten Antonia und ich ihn aus dem Hinterausgang, während Elli die Wachen mit einem Lapdance vom feinsten ablenkte.
Alberto würde sie retten, in dem er gleich mitten im Club eine Szene veranstalten und Elli mitnehmen würde. Typisch eifersüchtiger Italiener. Leider bekam ich davon nichts mit, weil ich mit meinem Botschafter auf der Rücksitzbank von Antonias Punto herumknutschte. Jetzt war er bereits mit einer Hand an meinen Schamlippen. Soll er mal machen, dachte ich. Glücklicher Weise waren es bis zum Hof der Botschaft nur zehn Minuten.
In der Botschaft war ein Weg bis zu meinem Zimmer frei geräumt. Kein Angestelter und keine Wache vermasselte uns die Tour. Sogar die allgegenwärtigen Hoheitszeichen waren abgehängt oder verdeckt. Kurz vor meinem Zimmer sah ich meine Mutter an einer Ecke, die den Daumen hob. Also war die Bitch in meinem Zimmer.
Ich sagte ihm, er solle leise sein. Ich wolle nicht, dass meine jüngere Schwester wach würde und schob ihn durch die Tür. Drinnen zeigte ich auf mein Bett und sagte ihm, er solle sich leise ausziehen, das konnte ich mir nicht verkneifen, und dann unter die Decke schlüpfen. Mit einem Schrei sprang die Bitch aus dem Bett und ich machte das Licht an. Minuten später, die der Botschafter und die Bitch dazu benutzten sich nur anzustarren, stand sowohl mein Vater, als auch meine Mutter, und 4 Leibwächter im Raum. Einer war mein Entführer.
„Sascha?”, fragte der kroatische Botschafter diesen? „was machst Du hier?”
„Er begeht zusammen mit dieser Person, die nicht die Tochter des Botschafters ist, Spionage in diesen Räumen, die per Definition deutsches Staatsgebiet sind und daher nach §99 mit einer Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren geahndet wird. Natürlich ist da noch k**napping. Versuchter Mord in ihrem Land und einmal in internationalen Gewässern durch einen wahrscheinlichen Kollegen dieses Herren, der Gott sei dank vereitel wurde, aber dennoch eine Körperverletzung verursachte. Alles von diesem Herren geplant, den sie zu kennen behaupten. Ich denke mal, sie wollen sich von allem, was im Zusammenhang mit diesen Herren vorgefallen ist, distanzieren, oder?”
Ich lächelte ein so zuckersüßes Lächeln, dass es schon fast unanständig war. Mein Vater grinste auch.
„Das ist meine Tochter” lobte er mich, was runter ging wie Öl. Weil es das aller erste Mal war, dass er das machte.
„Wo ich sie gerade hier habe, werter Kollege”, er ging zu den Kleidungsstücke, die dieser auf dem Boden verstreut hatte. Hob sie auf und reichte sie einem unserer Leibwächter. „Ich glaube, dass gehört nicht hier her.” Und wollte ihn wegschicken, da hüstelte der Botschafter hinter ihm.
„Achja, wo war ich stehen geblieben?”
„Die Insel” flüsterte ich hilfsbereit.
„Stimmt Jacky, das leidige Thema um ein bisschen Fels. Ich finde den Streit wirklich total lächerlich. Ich habe wirklich mehr davon, mir mit meiner Tochter…”
„…und ihren Freunden”, warf ich unschuldig ein.
„…und natürlich ihren Freunden eine Aufführung der Carmina Buraner anzusehen, als mit einem Küstenboot zu beobachten, wie lange sich eine Insel aus dem Meer erhebt und wie lange nicht.
Daher schlage ich vor, dass wir nun eine Erklärung aufsetzen, wo sie empfehlen, dass dieser Streit vollkommen unnütz ist und man doch die Grenzen lässt, wie sie sind.”
„Und wenn ich mich nicht darauf einlasse?”
„Dann versuchen wir es mit einem handfesten Skandal”, sagte ich. „Das ist nämlich das einzige, was ich ihrer Spionin nicht erzählt habe. Ich habe schon vor 2 Jahren mehr als einen Skandal wegen Sex mit anderen Botschaftern produziert. Das ist der Grund für meine Sicherstellung in einem Kloster. Einer mehr oder weniger macht mir wirklich nichts aus. Vor allem nicht mit diesen hübschen Fotos.”
Ich zeigte ihm die Aufnahmen von Antonias Handy. Eine war im Auto geschossen worden, wo man überdeutlich das Gesicht und seine Hand in meiner Pussy sehen konnte. An einem Finger seinen Siegelring. Ein wirklich sehr schönes Bild.
„Ich weiß ja nicht, wie das in Kroatien ist, aber ein verheirateter Mann inflagranti erwischt ohne Hose mit der Tochter eines anderen Botschafters ist für die Regenbogenpresse der Knüller. Und beim letzten mal nachschauen waren die Leute in ihrem Land unglaublich katholisch Konservativ. Wie lange sie da noch Botschafter sind…?”
„Ist ja gut, sie haben gewonnen.”
„Ich hab da aber noch zwei Sachen, die ich fragen möchte.”
„Und das wäre?”
„Genießt ihr Sasa und seine Braut diplomatische Immunität?”
„Die beiden? Nein.”
„Okay”, sagte ich, drehte mich zu Sasa um und trat ihm ohne Vorwarnung voll in die Eier.
„Das mein Lieber, war die gute Nachricht”, sagte ich ihm. „Papa? Der hat das gemacht” und zeigte ihm meinen kleinen Finger. Im nächsten Moment lag der Typ am Boden. Mein Vater, von dem ich wusste, dass er einen Sandsack zum Trainieren hatte, hatte ihn mit einem Schlag gefällt.
Er rieb sich die Hand. „Das tat echt gut, Jacky.”
Ich grinste, weil ich es mochte, wenn er mich so nannte. Ich drehte mich zu der Bitch um.
„Deinen Namen.”
„Der geht dich einen …”, der Schlag, der sie traf, brach ihr ihre mir nachempfundene Nase.
„Was hast du getan?”, nuschelte sie hinter ihrer Hand hervor.
Erneut schlug ich zu, diesmal seitlich gegen den Kiefer, aus dem ein Zahn herausbrach. Dann nahm ich ihr die Hand vom Gesicht und zwang sie, diese zu öffnen. In diese legte ich die Rolle mit den 50 Cent Stücken und erklärte ihr: „So etwas lernt man, wenn man abends mit seinem Vater vor dem Fernseher kuschelt und Rocky kuckt.”
Ich drehte mich um und mein Vater nahm mich in den Arm.
„Kannst du mir verzeihen?”, fragte er mich.
„Nur wenn die Carmina nicht nur eine hohle Phrase war. Und wir brauchen 18 Karten. Und ähm, wir müssen nächste Woche einmal nach Kroatien und zurück fahren, ich möchte eine Belobigung kassieren.”
Er verstand natürlich nicht was ich meinte.
Eine Woche später lag ich in einer Koje. Wieder horchte ich auf das Geräusch der Maschinen.
„Ist alles Okay?”, fragte Elli.
„Jetzt ja.”
Wir hatten Anna, die wirklich Anna hieß und die ehrlich schockiert gewesen war, dass ich getötet werden sollte, in ihre Heimat Kroatien eskortiert. Dort hat sie noch in unserem Beisein zu dem Fall eine Aussage im internen Untersuchungsausschuss des kroatischen Geheimdienstes gemacht. Meine Mutter und unser Leibwächter bestätigten dann, dass ihr die Aufführung der Jaqueline Triturabis über zwei Wochen excelent gelungen war und das mein Vater, sollte sie ihren Job und ihren Eid dem kroatischen Staat abschwören, wieder gerne in seinem Haus willkommen hieße. Sozusagen als Double für den Fall, wenn ich auf einen Ball wieder keine Lust hatte. Sie sagte dankend ab und meinte, das sie dieser Form des Verrates nicht zugeneigt wäre.
Anschließend gingen alle Mitglieder der Jaquelineverschwörung in Zagreb in die Oper. Carmina Buraner wurde gespielt. In den Pausen war ich mit meinem Kleid, das wir eigentlich nur für den Botschafter gekauft hatten, der Hingucker. Ich stahl sogar zum ersten Mal meiner Mutter die Show.
Danach flogen meine Eltern zurück nach Rom und ich fuhr mit Anna zu dieser Insel, auf der alles angefangen hatte. Ich zeigte ihr den Stuhl, wo ihr Kollege mich angebunden und 3 Monate nur mit Wasser am Leben erhalten hatten, während sie im Krankenhaus mein Gesicht bekommen hatte.
Sie sagte, wenn sie es gewusst hätte, hätte sie da nie mitgemacht. Sie wüsste jetzt nicht, wie sie damit leben solle.
„Jeden Tag ein neuer Tag” hatte ich gesagt. „Und such dir Menschen, die nur für dich da sind, auch wenn sie nicht wissen, wer du bist.”
„Du bist die stärkste Frau, die ich kenne”, hatte sie noch gesagt, bevor ich ihr am Hafen von Dubrovnik ein schönes Leben wünschte. Danach ging ich an Bord von Kapitän Hansund Albertos Schiff.
„Ich verstehe nicht, wie du ihr verzeihen kannst”, sagte Elli. „Mit ihr fing dein Unglück doch an.”
„Das ist schon richtig”, sagte ich. „Aber schau mal. Ohne Sie hätte ich dich nie kennen gelernt. Ich hätte Alberto und Hans nicht kennen gelernt. Die Reederei hätte ihren Propeller verloren. Ich hätte wahrscheinlich noch Jahre darauf warten können, mit meinem Vater in die Carmina zu gehen, die einzige Oper, die ich mag. All das wäre nicht passiert.”
Sie nahm mich in die Arme und küsste mich.
„Du bist wirklich ein seltener Mensch.”
>Ende<