von Jaqueline_K
Das Ende einer Reise
„Warum habt ihr mich gerettet, das hättet ihr nicht tuen müssen.”
„Wir konnte dich nicht deinem Schicksal überlassen”, sagte Heidel und Ted stimmte dem Kopfnickend zu.
Ich sass zwischen ihnen und fühlte mich noch immer so Elend, wie zu dem Zeitpunkt, an dem sie mich gefunden hatten, in der hinteren Ecke eines Schlafsaals im Auffanglager für i*****le Einreisende, an ein Bett gefesselt zur Benutzung für jedermann, was sie auch beinahe getan hatten, wenn mich Ted nicht wirklich im aller letzten Moment gerettet hätte. Er hatte dem Mann, der seinen fette Eichel schon auf meinen Vulvalippen hatte, mit einem Schlag den Kiefer gebrochen. Keiner der anderen Männer wollte sich da noch mit ihm Anlegen. Er sah aus wie ein Racheengel persönlich.
Auch ein zweiter Mann, hatte Ambitionen gezeigt, etwas zu unternehmen, dem hatte aber Heidel mit einem gezielten Tritt in die Eier außer Gefecht gesetzt. Dann war sie zu mir geeilt und hatte mich losgemacht und ich war heulend in ihren Armen zusammen gebrochen. Sie hatten meinen Rucksack dabei und ich ließ mich von ihnen fast Willenlos wieder in einen normalen Teenager verwandeln.
Als sie mich aus der Unterkunft führen wollten, wehrte ich mich kurz. Ich schaute zu den anderen Frauen und sagte, ich ginge nicht ohne sie. Als Heidel mich fragend ansah, erzählte ich in wenigen kurz Sätzen den Vorfall von der Nacht, der ja zu meiner Situation geführt hatte und Ted sagte daraufhin nur zur Heidel, sie solle mich zum Truck bringen, er würde den Rest hier klären. Dann hat mich Heidel endgültig raus gebracht. Nach 40 Minuten war auch Ted dazugekommen und sagte nur, er habe alles geklärt, die Frauen wären abgeholt worden, weg von hier. Dann waren wir losgefahren. Das war nun über vier Stunden her.
Ted schaute mich von der Seite an. „Du weißt, dass wir dich beide lieb gewonnen haben. Sowas wie dort hast du nicht verdient, dass hat eigentlich niemand.”
Ich war vollkommen in Gedanken. Das einzige Wort, dass es schaffte, den Sumpf in meinem Kopf zu durchdringen, war Lieb.
„Lieb von verliebt?”
„Das würde ich nicht sagen. Verliebt würde bedeuten, dass ich mir eine Zukunft zwischen uns sehen würde. Du und Heidel könntet eine haben. Bei mir ist das aber nicht möglich. Da sollten wir beide ehrlich sein.”
Das erste mal seit dem sie mich gerettet hatten, dass ich grinsen musste.
„Du bist noch nicht mal ein bisschen in mich verliebt?” stichelte ich.
„Du bist 18, ich bin 62. Du hast wirklich was besseres verdient als mich.”
„Das war jetzt aber nicht die Frage”, warf Heidel ein. „Die Frage ist, wenn du sie nicht mal ein kleines bisschen liebst, warum hast du nicht eine Sekunde gezögert, als ich bei dir aufschlug und dir erzählte, das Jaqueline in Schwierigkeiten steckt. Wieso hast du mit deinem Lkw und der wichtigen Ladung darin einen Umweg von 500km eingeschlagen? Statt direkt nach Basel zufahren, bist du mit mir nach Mailand gefahren. Du hast einem Mafiosi Prügel angedroht, wenn er nicht Jaquelines Sachen rausrückt und wenn ich dich nicht aufgehalten hätte, hättest du ihn nach dem Telefonat mit Jaqueline trotzdem verprügelt. Das alles hast du gemacht, weil du Jaqueline, die du nur – wie viel? Drei Tage? – kanntest, nicht ihrem Schicksal überlassen wolltest?”
Ich fügte noch hinzu „Und ja, so viel Dummheit wie mich gibt es bestimmt kein zweites Mal auf der Welt. Ich hab es nicht verdient, gerettet zu werden.”
Ted schaute wieder zu uns rüber.
„Kleines, mach dich nicht schlechter als du bist. Du bist nur … ein bisschen verrückt.”
„Ein bisschen viel”, murmelte Heidel.
Ich lachte und Heidel küsste mich auf die Stirn.
„Vielleicht ist es das. Ich habe mich in eine kleine verrückte Göre verliebt, die mich alten Knacker einfach nur behandelt hat wie jeden anderen Mensch vollkommen frei von jeglichem Klischee. Bei dir durfte ich nochmal jung sein. Ein Hauch des Vergangenen. Ach, ich weiß nicht, ob das schon verliebt ist. Aber eine Welt, in der eine verrückte, freundliche und zärtliche Jaqueline fehlt, die wollte ich mir nicht vorstellen. Deshalb musste ich dich um jeden Preis retten.”
Später standen wir an der Straße, wo gegenüber auf der an der anderen Seite der Fährableger zu Insel war. Bis hierher hatten sie mich gefahren, obwohl es nicht ihre Aufgabe war und Ted bestimmt mit einer riesen Verspätung seinen Auftrag abgeben würde.
„Wen du nicht bald fährst, bekommst du riesen Ärger von deinem Chef”, sagte ich.
„Mein Auftrag hier ist noch nicht beendet”, sagte Ted.
„Ach ich bin jetzt nur noch ein Auftrag.”
„Ja, der wichtigste meines Lebens, ich muss die derzeit liebgewonnenste Person meines Lebens sicher an den Ort ihrer Bestimmung überführen.”
„Lieb gewonnen beinhaltet Liebe. Das bedeutet, du liebst mich, das bedeutet, das du dich doch in mich verliebt hast.”
„Ach meine güte, kleine”, Ted schloss mich in seine Arme und drückte mich.
„Wir haben ein Gästehaus, ihr beide könntet mit rüber kommen und noch ein oder zwei Nächte mit mir verbringen”, ich schaute ihn an. „Bitte. Heute ist doch mein Geburtstag. Ich möchte ihn nicht alleine verbringen.”
Ted war unentschlossen, aber Heidel macht ein Gesicht, dass anzeigte, dass sie ein Bett sehr willkommen heissen würde.
„Wenn du es nicht machst, ich schwöre dir, ich frage die Schwester, ob ich dem Kloster beitrete.”
„Ted, das können wir nicht zulassen”, sagte Heidel daraufhin. „Das ist unsere letzte Pflicht.”
„Und der Hausmeister braut sein eigenes Bier, das bekommen nur die Gäste zu Kosten”, fügte ich verschmitzt hinterher.
Das war dann das Argument, das bei Ted zog. Das und die Tatsache, dass sie an diesem Abend sowieso nur noch bis zum nächsten Parkplatz durften, um dann das Ganze Wochenende rum zu stehen. Ich konnte mir zwar vorstellen, dass Heidel schon wusste, was sie mit meinem Ted anfangen könnte, aber es versetzte mir einen leichten Stich, dass ich dann wohl nicht dabei sein würde.
Ich hatte Ted gefragt, ob er in mich verliebt war. Jetzt wo ich mit den beiden Hand in Hand zum Fährausleger lief, fragte ich mich, ob ich vielleicht verliebt war. Wir würden nie ein richtiges Paar werden, keiner von uns dreien. Aber ja, ich für meinen Teil war in die Beiden verliebt. Und das auch nicht deshalb, weil mich die beiden davor gerettet hatten, mein Leben als Zwangshure zu beenden, zu der ich am Ende meiner Irrfahrt fast geworden war.
Wie sagte Sandra Bullock am Ende von Speed? Beziehungen, die aus einer Extremsituation entstehen, haben keine Zukunft?
Ich bin verrückt genug, dass zu ändern.