Kapitel 3
Ich wusste, dass er nicht mehr herauskommen würde. Also drehte ich mich um, atmete tief durch und ging den Trampelpfad entlang, den ich gekommen war. Dabei musste ich an die Grube denken, die dort war.
Dieses Mal ging ich nicht durch den Wald, sondern den Trampelpfad entlang, bis ich auf einen Feldweg traf. Dieser führte mich auf eine Straße. Die erste Straße, die ich in meinem Leben sah. Davon hatte ich gehört, nie gesehen. Jetzt war ich darauf gespannt, wie ein Dorf oder eine Stadt aussieht, denn ich wusste, dass Straßen dort hinführten.
Um ehrlich zu sein, war das erste Dorf, in das ich kam, eine Enttäuschung. Es war eine Ansammlung einiger, weniger, nicht imposanter Häuschen, die bessere Tage gesehen hatten. Sie sahen verwahrlost aus, was durch die im Moment schlammige Straße nicht besser wurde. Das Einzige was mich interessierte war die Schmiede. Hier vermutete ich den Schmied, der die Holzkohle von Johannes erhielt.
Die Schmiede wahr im Gegensatz zu den anderen Häusern das Einzige, welches man als ein solches bezeichnen konnte. Da ich gerade hörte, wie jemand am Hämmern war, konnte ich nicht dem Drang widerstehen, zu schauen, was hier produziert wurde.
Wenig später stand ich in der Schmiede und sah den Meister mit einem Gesellen ein längliches Stück Metall bearbeiten. Er drehte sich zu mir um, da er wahrscheinlich einen Luftzug bemerkte, als ich die Tür öffnete.
Er sah mich kurz an und ich konnte in seinem Gesicht ablesen, dass er mich widererkannte. Sein Gesicht wurde daraufhin nicht freundlicher, aber er ließ den Hammer nur noch wenige Male auf den Amboss hernieder und wandte sich danach mir zu.
„Was kann ich für euch tun?”, frage er und kam auf mich zu.
Um ehrlich zu sein, wusste ich das nicht. Es war die Neugierde gewesen, die mich dazu veranlasst hatte, nachzuschauen. Schnell überlegte ich mir, was ich sagen konnte.
„Ich wollte fragen, ob ihr einen Platz für mich zum Arbeiten habt!”
„Hat der Alte euch etwa rausgeschmissen? Sähe ihm ähnlich. Hat mich sowieso schon gewundert, dass er dich überhaupt geduldet hat. Ist zuvor noch nie vorgekommen. Normalerweise ist es ihm schon zu viel, wenn ich vorbeikomme. Aber so wird er wenigstens seine Kohle los!”
„Sagt Meister”, begann ich, „Wisst ihr mehr über ihn. Er hat mir nichts über sich erzählt!”
„Ist schwer zu sagen. Er kam vor etwa zehn Jahren hier her, keiner wusste wer oder was er war. Ich habe ihn allerdings einmal im Wald gesehen, wie er Kampfübungen abgehalten hat. Er trug dazu ein Breitschwert in beiden Händen und kämpfte gegen unsichtbare Gegner. Als ich das sah und vor allem beobachten konnte, wie er dies machte, war klar, dass er einmal sehr geübt darin war. Mir ging dabei durch den Kopf, dass ein solcher Kämpfer nur Soldat oder etwas Ähnliches gewesen sein könnte.
Als ich dann später die Kohle bei ihm abholte, hatte ich zwei Kannen Wein mitgebracht. Zu meiner Überraschung lehnte er diese nicht ab. Später hat er mir dann wohl unter dem Einfluss des Alkohols etwas erzählt, allerdings nicht viel.
Er war Söldner gewesen und kam in seiner Laufbahn so weit hoch, dass er Leibwächter von irgendwem wurde, allerdings nannte er keinen Namen. Doch irgendwann konnte er seine Tätigkeit nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren. Zu viel Blut klebte an seinen Händen. Darum zog es ihn in die Einsamkeit, um mit sich und der Welt ins Reine zu kommen.
Viel mehr weiß ich allerdings auch nicht. Dass du es geschafft hast bei ihm zu bleiben, ist für mich ein Wunder. Normalerweise frisst er Menschen eher auf, als sie so nah an sich heranzulassen. Ich bin dafür zu zäh und alt. Bei dir sieht das schon anders aus. Das ist auch der Grund, warum du wahrscheinlich die ganze Zeit wohl niemanden anderes gesehen hast. Die Menschen haben Angst vor ihm und ich fühle mich auch nicht wohl in seiner Gegenwart. Vielleicht sind das ja nicht nur Geschichten. Bei dir muss er eine Ausnahme gemacht haben. Um ehrlich zu sein, so wie du stinkst, würde ich dich auch nicht essen.”
Dabei rümpfte er die Nase und ich wurde rot. Solange ich bei dem alten Mann gewesen war, war es mir nicht mehr aufgefallen, erinnerte mich aber, wie es gerochen hatte, als er mich das erste Mal ins Haus geholt hatte. Wenn ich genauso roch, war das abstoßend.
„Eine Stelle kann ich dir leider nicht anbieten, obwohl ich einen so gut gebauten jungen Mann gut gebrauchen könnte. Aber die Zeiten sind schlecht. Nur noch wenige Menschen kaufen so etwas, was ich herstelle. Sie brauchen das Geld für das nötigste. Waffen stehen dann hinten an.”
„Ich danke euch für die Auskunft Meister. Vielleicht könnt ihr mir ja ein Schwert verkaufen. Ich könnte eins gebrauchen!”
Der Meister sah mich von oben bis unten an und wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte. Ein junger Mann wie ich, der gerade von dem Alten im Wald kam, hatte sicher kein Geld.
Um mein Ansinnen zu unterstreichen, griff ich mir in eine meiner Taschen und holte ein paar der Münzen heraus, die ich ausgegraben und mitgenommen hatte.
Die Augen des Meisters begannen zu leuchten. Sofort schickte er seinen Gesellen los, die besten Klingen zu holen. Wenig später breitete er die Waffen draußen vor mir aus.
„Seht selber und sucht euch die Klinge aus, die euch am besten liegt. Probiert sie aus.”
Nacheinander nahm ich eine Klinge nach der anderen und schwang sie kräftig durch die Luft, wobei sie pfeifende Geräusche abgaben.
„Ich sehe schon”, meinte der Schmied zwischendurch, „der Alte hat euch mehr beigebracht, als Kohle zu machen. Der Stiel erinnert mich sehr daran, was ich im Wald gesehen habe. Sagt, würdet ihr mit mir einmal ein kleines freundschaftliches Duell veranstalten. Dabei könnt ihr gleich die Klinge testen, die euch am besten gefällt.”
Ich sah ihn an, nickte und er verschwand im Haus.
Wenig später stand er vor mir und hatte ein Schwert in der Hand, was aussah, als wenn es oft gebraucht worden war. Schartig die Klinge, trotzdem gut gepflegt. Es glänzte von Öl und am Leder des Griffs konnte man erkennen, dass reichlich Schweiß aufgesaugt worden war. Er war als Gegner nicht zu unterschätzen.
Ich hatte das für mich beste Schwert gefunden und ließ es ein paar Mal durch die Luft sausen. Dann war ich bereit, obwohl ich die Klinge nicht lange kannte. Ein Fehler, wie mir Johannes eingebläut hatte. Hatte er mir nicht gesagt, dass ich mit keiner Klinge kämpfen sollte, die mir unbekannt war?
Jetzt war es zu spät und ich machte mich für den Kampf bereit. Zweimal streckte ich mich, um die Muskulatur warm und geschmeidig zu machen, dann standen wir uns gegenüber.
Es wurde ein mörderischer Kampf. Der Schmied war nicht so geschmeidig wie Johannes und seine Taktik war plump, aber seine schiere Kraft, trieb mich zuerst zurück. Seine Schläge kamen hart und präzise und ich hatte den Eindruck, als wenn er nicht zum Schein mit mir kämpfte. Ich parierte die Schläge, agierte weniger, wich eher aus als die Initiative zu ergreifen.
Der Schmied war veranlagt, wie Johannes es mir gesc***dert hatte. Er wollte den schnellen Sieg, konnte nicht abwarten und das wurde ihm zum Verhängnis. Jede Kraft erlahmt irgendwann, und wenn es soweit war, wenn der Gegner ein Schatten seiner vorigen Kraft war, kam meine Zeit. Jetzt dauerte der Kampf nicht mehr lange. Meine Schläge wurden nicht hart geführt, sondern wesentlich schneller und abwechselungsreicher, als die des Schmieds. Nach einer kleinen Weile konnte er mir nicht mehr folgen und mit einem letzten, kraftvollen Schlag knapp unter die Parierstange flog sein Schwert weg. Er hatte es nicht mehr festhalten können. Der Schlag kam zu überraschend, war nicht zum Körper gerichtet.
Zittern stand die Spitze meines Schwertes einen Fingerbreit vor seiner Kehle, während er keuchend Luft holte.
„Meister, ich danke euch für diesen Kampf. Ihr seid wirklich gut und ich hätte euch gerne an meiner Seite, wenn es nötig wäre. Ihr macht gute Schwerter. Ich würde dieses gerne erwerben!”
Nach diesen Worten ließ ich die Klinge sinken und grinste ihn an. Er versuche zurück zu grinsen, aufgrund seines Zustands, entglitt es ihm.
Der Preis war hoch, höher als er hätte sein dürfen, ich zahlte ohne Murren. Er musste in diesen Zeiten über die Runde kommen und ich bekam, was ich gebrauchte.
Wenig später verabschiedete ich mich von ihm und lief, mit dem Schwert auf dem Rücken weiter. Am nächsten Fluss zog ich mich aus, wusch mich und meine Bekleidung so gut es ging, damit ich nicht mehr streng roch. Ich würde mir bei nächster Gelegenheit neue Bekleidung kaufen.
Diese Gelegenheit kam bald. Meine erste Stadt erschien vor mir und ich war von ihr beeindruckt. Allerdings war das der erste Eindruck. Danach mache ich mich schnell wie möglich davon. Es war mir dort zu eng, und auch wenn ich nicht gerade gut roch, so war es hier wesentlich schlimmer. Überall wurde Unrat auf die Straßen gekippt und man musste aufpassen, dass einem nicht ein Nachttopf über den Kopf geschüttet wurde.
Es war mir ein Rätsel, warum so viele Menschen zusammenwohnen wollten. In der Natur war es viel schöner, man konnte tief einatmen, ohne den Nachbarn riechen zu müssen. Auf der anderen Seite, wenn sie es so wollten, sollten sie es eben machen. Mich hielt nichts in der Stadt.
Mein Weg trieb mich weiter, bevor der Tag zu Ende ging, allerdings trug ich bessere und vor allem eine saubere Bekleidung. Meine Alte war sofort verbrannt worden.
Tag und Wochen lief ich, kam durch Dörfer und machte einen Bogen um größere Städte. Die Natur lieferte mir alles, was ich brauchte, auch wenn ich langsamer vorankam. Ich hatte Zeit.
Es war später Herbst, als ich am Horizont Merkwürdiges bemerkte. Es war, als wenn er anstieg, statt abzufallen, wie ich es gewohnt war. Aber je näher ich kam, umso höher stieg er an.
Was ich dort vor mir sah, mussten die Berge sein, von denen man mir erzählt hatte. Sie wurden höher, je näher ich an sie herankam und ihr Anblick überwältigte mich. Ein Anblick, der nichts mit dem Hügel von Zuhause zu tun hatte.
Nur an ihrem Sockel waren sie mit Erde bedeckt und bewachsen, etwas weiter oben konnte man keine Bäume mehr sehen, später verschwand die Erde und der nackte Fels trat hervor. Noch weiter oben hatten die Berge eine weiße Spitze. Ich vermutete dort Schnee und Eis. So hatte man es mir berichtet. Er sollte im Sommer nicht schmelzen. Ich war mir nicht sicher, ob man mich belogen hatte, warum sollte der Schnee im Sommer nicht schmelzen. Aber es konnte was dran sein. Jetzt im Herbst war noch kein Schnee gefallen, aber ich konnte mit meinen Augen sehen, dass er dort oben lag. Es musste was mir der Höhe zu tun haben.
Ich ging weiter und stand direkt vor den gigantischen Bergen, konnte keinen Durchlass erkennen, würde über die Berge klettern müssen, musste darüber, war doch dahinter das Land, wohin es mich zog.
Auf größere Städte war ich länger nicht mehr gestoßen, also erkundigte ich mich in einem Dorf darüber, wie ich über die Berge kommen könnte.
Zum größten Teil sahen sie mich mitleidig an, einige schüttelten mit den Köpfen. Sie meinten, dass es um diese Jahreszeit nicht mehr ging. Die wenigen Pässe über die Berge seinen unpassierbar geworden. Aber selbst sie wussten nicht, wo diese Pässe waren. Sie waren nie auf der anderen Seite gewesen. Viel zu gefährlich.
Daraufhin erkundigte ich mich, wer mir weiterhelfen könnte. Einer zeigte mit seinem Finger in eine bestimmte Richtung. Er könnte sich vorstellen, dass mir dort geholfen werden könnte. Dort sei in einem Talkessel ein kleines Dorf, vollkommen mit Bergen umgeben. Wenn mir jemand helfen könnte, war derjenige dort zu finden.
Ich bedankte mich für die Auskunft und setzte meinen Weg in die Richtung fort, die er mir gezeigt hatte.
Zwei Tage später konnte ich den Einschnitt zwischen den Bergen sehen, den mir der Mann beschrieben hatte. Also schritt ich auf diesen zu, wobei ich höher kam und mir langsam kalt wurde. Meine Vermutung war richtig gewesen. Je höher man kam, umso kälter wurde es. Ich wollte nicht mehr wissen, wie kalt es auf den Bergspitzen war. Selbst ich konnte mir vorstellen, dass es keine Möglichkeit mehr geben würde, über das Gebirge zu kommen, von dem ich nicht wusste, wie breit es war.
Endlich kam ich an dem Einschnitt der Berge an und durchschritt diesen mit keinem guten Gefühl. Es war eng, zumindest kam es einem so vor. Die schroffen, hoch aufragenden Berge zu beiden Seiten vermittelten einem ein Gefühl von Beklemmung. Selbst die Sonne schien sich hier nicht hin zu trauen, denn es war hier dämmrig. Mit Ehrfurcht vor der Natur durchschritt ich diesen engen Bereich und konnte aufatmen, als sich später der Spalt zu einem Talkessel erweiterte.
Das Tal war nicht weitläufig. Trotzdem gefiel es mir hier. Das freundliche Grün, was mir entgegen leuchtete, brachte mich auf andere Gedanken. Also schritt ich frohen Mutes auf das Dorf zu, was sich auf der anderen Seite an die steil aufsteigenden Berge schmiegte. Es waren nicht viele Häuser aber diese sahen sauber und stabil aus, waren zum größten Teil aus Stein erbaut worden und nicht aus Holz, wie ich es bereits gesehen hatte.
Als ich an den ersten Häusern vorbei ging, kam ich mir beobachtet vor, denn jeder, dem ich begegnete, sah mich freundlich aber zugleich misstrauisch an. Fremde Menschen sah man hier wohl nicht oft. Dabei konnte ich das nicht verstehen, es war hier wunderschön.
Ich hielt auf den Dorfkern zu, der durch eine Kirche gekennzeichnet wurde. Suche die Kirche und du hast das Zentrum gefunden. Eine einfache Weisheit, die ich früh gelernt hatte.
Hier sah ich mich um und konnte eine Art kleines Wirtshaus erkennen, wobei ich mich fragte, wer dort hinging.
Wenig später stand ich davor und trat ein.
Es war nichts los, genauso wie ich es mir vorgestellt hatte, nur der Wirt stand gelangweilt hinter seinem Tresen. Als er mich sah, wurde er aufmerksam.
„Was kann ich für euch tun?”, fragte er, wobei er mit einem Tuch über den Tresen wischte.
„Ich benötige eine Auskunft. Ich möchte auf die andere Seite der Berge, vielleicht könnt ihr mir helfen?”
Er sah mich mit großen Augen an, fing laut an zu lachen.
„Junger Mann”, fing er an, als sein Lachen verstummt war, „Über die Berge kommt ihr nur im Sommer und schon gar nicht von hier aus. Ist euch nicht aufgefallen, dass es hier rundherum keinen entsprechenden Pass gibt? Ihr seid im falschen Ort. Was ihr sucht, ist drei Tagesmärsche entfernt. Aber dort braucht ihr auch nicht hinzugehen, denn es ist dafür zu spät. Auf den Pässen liegt wahrscheinlich schon so viel Schnee, dass er euch über den Kopf reichen würde. Da müsst ihr bis zum späten Frühling warten, vorher wird das nichts mehr.”
Man konnte mir meine Enttäuschung ansehen, denn der Wirt sah mich mitleidig an.
„Was meint ihr?”, fragte ich ihn daraufhin: „Gibt es eine Möglichkeit hier solange zu bleiben, vielleicht wird ja irgendwo eine starke Hand gebraucht. Ich nehme auch keinen Lohn, ein Bett und etwas zu essen würde reichen!”
Aus Erfahrung hatte ich gelernt, wenn jemand bescheid wusste, dann die Wirte. Sie hatten ihre Ohren offen und wussten, was in der Gegend vor sich ging. Wenn einer die gewünschten Informationen hatte, dann er.
Er kratzte sich am Hinterkopf und wurde umso freundlicher, als ich ein großes Bier bestellte.
„Fragt beim Schmied nach, er ist alt und könnte sicher Hilfe gebrauchen. Wenn ihr auf die Straße geht, dann müsst ihr weiterlaufen, bis das Dorf aufhört. Dann aber noch etwas weiter, er wohnt etwas außerhalb, denn sein andauerndes Gehämmer, wollten die Leute hier nicht im Ort haben. Etwas anderes wüsste ich nicht!”
Ich dankte ihm für die Auskunft und zahlte das Bier mit einer größeren Münze, als es das wert gewesen wäre. Das Bier war zu dünn, wahrscheinlich gestreckt.
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