Dann war ich um die Ecke und konnte meinen Fahrer sehen. Der kam auf mich zugelaufen und rief irgendetwas. Ich bekam nicht mit was er rief. Der Fahrer zerrte an meiner linken Schulter und zog mich in Richtung des Jeeps. Kaum war ich mit dem Jungen eingestiegen, gab er Gas und fuhr aus der Gefahrenzone. Ganz war ich nicht bei mir, in meinen Armen den schluchzenden Jungen und meine rechte Schulter brannte wie Feuer. Der Soldat hielt kurz an, besah sich meine Schulter und meinte „Streifschuss, ich fahr Sie mit dem Kind ins Krankenhaus.
Es dauerte nicht lange und wir waren da. Routiniert sah sich ein Arzt meine Verletzung an und erklärte „nur ein Kratzer nicht Schlimmes, ich werde die Wunde reinigen und verbinden. In einer Woche ist alles verheilt.”
Sie wollten den Jungen, der mittlerweile apathisch in meinen Armen hing auch untersuchen. Aber der ließ mich nicht los „dann gehen Sie eben mit” meinte der Arzt. Er spritzte dem Jungen ein Beruhigungsmittel. Erst dann konnte ich ihn auf ein Bett legen. Der Mediziner untersuchte den Jungen „machte ein bedenkliches Gesicht „der ist länger misshandelt worden, die Verletzungen sind nicht von heute.”
Ich erklärte dem Arzt was ich gesehen hatte und warum ich den Jungen aufgehoben habe.
„Der darf auf keinen Fall zurück” rief der Arzt „noch ein paar solche Misshandlungen hält der schmächtige Körper nicht aus.”
„Dann nehm ich ihn mit in mein Camp” bestimmte ich und erklärte dem Arzt die Art des Lagers.
„Gute Idee” meinte dieser.
Draußen vor dem Behandlungsraum fing ein großes Geschrei an. Der Arzt ging nachschauen. Als er zurück kam machte er ein entsetztes Gesicht „da draußen ist ein Mann der behauptet der Vater eines geflüchteten Jungen zu sein und er wolle die schwule Sau zurück haben, damit er ihm das Schwule heraus prügeln könne. Das darf nicht passieren ich habe den Sicherheitsdienst benachrichtigt und ihn entfernen lassen, trotzdem werde ich Sie nachher durch den Nebenausgang heraus lassen.”
„Sagen Sie bitte meinem Fahrer Bescheid, damit er mich dort abholen kann.”
Die Untersuchung ging weiter und bei mir machte sich jetzt der sinkende Adrenalinspiegel bemerkbar und ich fing an zu zittern. Nachdem ich ein leichtes Beruhigungsmittel bekommen hatte ging es mir schnell wieder besser.
„So, der Junge braucht jetzt viel Ruhe. Er kann das Krankenhaus verlassen. Hier ist er auch nicht wirklich sicher, wir können nicht alles überwachen. Ich bringe Sie jetzt zum Nebenausgang. Achten Sie aber beim Fahren auf einen weißen Toyota-Pick-Up” erklärte mir der junge Arzt.
Hinter dem Ausgang stand ganz nah der Jeep und ich setzte mich mit dem immer noch fast bewegungslosen Jungen auf dem Arm auf den Rücksitz.
Langsam fuhren wir aus der Krankenhaus-Ausfahrt und bogen auf die Hauptstraße ab.
Immer wieder drehte ich mich um und sah, dass sich ein weißer Pik-Up in den fließen Verkehr quetschte und hinter uns her fuhr. Ich machte den Fahrer darauf aufmerksam. Mit allen Mitteln versuchten wir den Wagen abzuschütteln, aber immer wieder fand er uns wieder.
„Da bleibt mir nichts anderes übrig als zum letzten Mittel zu greifen” meinte der Fahrer und bog nach rechts auf eine kleine Nebenstraße ab „auf freier Strecke ist der Toyota uns haushoch überlegen, als werde ich jetzt auf die Schotterpisten im Trodos-Gebirge ausweichen, da hat der Jeep den Vorteil.”
Mit gekonnter Fahrweise entfernten wir uns Stück für Stück von unserem Verfolger. Über Funk teilte der Fahrer der Leitstelle in Dekelia den Sachverhalt mit und auch das was er vorhatte.
„Wir werden einen zweiten Wagen, gleicher Bauart, losschicken, der kann den Toyota verwirren. In Höhe von Polis wird der Wagen zu euch stoßen” teilte man mit.
Mittlerweile hatten wir einen Vorsprung von mehr als 500 Metern. Der Verfolger verschwand teilweise in einer rot-gelben Staubwolke, die unser Jeep aufwirbelte. Nach einiger Zeit bogen wir scharf links ab und der Fahrer sagte „jetzt wird es lustig haltet Euch gut fest.”
Ich umklammerte den Jungen noch fester, der immer wieder im Halbschlaf murmelte „Help me, Help me”.
Nach ein paar hundert Metern sah ich das Meer, aber von weit oben und als ich nach vorne sah bekam ich große Augen. Vor uns war ein Geröllweg der mit mehr als 45 Grad und riesigen Löchern nach unten führte.
„Da wollen Sie runter?” fragte ich den Fahrer entsetzt.
„Entspannen Sie sich” empfahl er mir „den Weg bin ich schon etliche Male gefahren, ist ne gute Abkürzung, man muss nur wissen, wo man lang muss.”
„Ihr Wort in Gottes Gehörgang” stöhnte ich und ergab mich meinem Schicksal.
Langsam und mit Gefühl wurde der Jeep nach unten gesteuert. Als ich mich umsah, sah ich oben unsere Verfolger stehen. Sie drohten mit den Armen und versuchten sogar auf uns zu schießen, wir waren aber für Pistolenschüsse schon zu weit weg. Dann rannten die Männer zurück von der Kante, wohl zu ihrem Wagen.
„Die müssen jetzt dem Weg folgen um zu der Straße zu kommen die wir fahren müssen” wurde mir erklärt „das kostet die gut 45 Minuten. Bis dahin sind wir im Camp.”
Als wir an der Straße ankamen, stand schon ein identischer Jeep bereit, begrüßte uns mit Hupen und der Fahrer winkte uns weiter zu fahren. Auf dem Rücksitz des zweiten Jeeps saß auch eine Person. So wollten sie wohl unsere Verfolger in die Irre führen.
Nach kurzer Fahrt kamen wir am Abzweig zu meiner Plantage an. Das Tor war geöffnet und Emanuel Aristo lächelte uns zu. Wir hielten kurz an und ich klärte Emanuel kurz über die Lage auf. Sein Lächeln erstarb „Ich mache noch schnell die nächsten Handgriffe an der Sicherheits-Elektronik und schließe dann das Tor und Du solltest ganz schnell Dimitros informieren, damit er die Verbrecher abfangen kann” empfahl er mir.
Bei meinem Haus angekommen standen Ilias und auch Maria mit ihren Jungs. Als ich mit dem Kleinen aus dem Auto stieg machten die vier große Augen. Ich rief Maria zu „kannst Du Dich einen Moment um den Jungen kümmern, ich muss jetzt erst einmal telefonieren.”
Maria nahm mir den Jungen ab und ich stürmte zum Telefon und rief Dimitros auf seiner persönlichen Nummer an und erklärte die Situation.
„Die schnappen wir uns” rief er ins Telefon und ich hörte noch, bevor ich auflegte, seine Einsatzbefehle.
Inzwischen hatte Maria den Jungen in mein Gästezimmer gebracht und in Bett gelegt. Die drei Jungs standen auch dabei.
„Was ist los, der Junge sieht ja fürchterlich aus” murmelte Maria.
„Gleich erzähle ich Euch kurz die Geschichte, aber lasst mich bitte mal einen Moment alleine mit dem Jungen” bat ich sie.
Als sie alle raus waren wand ich mich zu dem Kleinen „so jetzt bist Du in Sicherheit, willst Du mir sagen wie Du heißt?”
Vor lauter Aufregung und Stress hatte ich deutsch gesprochen.
„Ich heiße Erkan und ich danke Dir” kam es auf Deutsch zurück.
„Woher kannst Du so gut Deutsch?” fragte ich Erkan.
„Meine Mutter ist Deutsche. Wir wohnten in Famagusta, bis mein Vater immer gewalttätiger wurde und sie es nicht mehr ausgehalten hat und zurück ist nach Deutschland, ich wollte eigentlich mit, aber mein Vater hat mich eingesperrt.” Ihm fielen die Augen zu.
„Schlaf dich erst mal aus” riet ich Erkan „dann reden wir weiter.”
Als ich die Tür schließen wollte, schaute ich mich noch einmal um. Mit einem leichten Lächeln um die Mundwinkel war Erkan eingeschlafen. Leise schloss ich die Tür ganz und ging hinaus zu den anderen.
Dort waren mittlerweile auch Emanual und Luca angekommen. Die Geschichte war schnell erzählt.
„Zeig mal Deine Schulterwunde” sagte Maria „ich bin ausgebildete Krankenschwester.”
Ich machte die Schulter frei, damit sie nachschauen konnte.
„Sieht gut aus und hat auch nicht nachgeblutet” verkündete sie.
Im Büro ging das Telefon und ich nahm den Hörer, es war Dimitros.
Fortsetzung folgt
Wie immer, Anregungen und Kommentare sind erwünscht.