DIE MMF-PARTY Teil 1
Der Wind peitschte und es regnete fürchterlich, als ich die Uni verließ. Verflixt, wieder kein Schirm dabei, dachte ich ärgerlich, zur nächsten U-Bahn-Haltestelle sind es noch 150 Meter. Als ich die Zeppelinallee überquerte, geschah es. Ich strauchelte, fiel und hörte das Quietschen von Bremsen.
„Haben Sie sich verletzt”, ich schaute auf und blickte in das besorgte Gesicht eines attraktiven Mannes. „Ich meine, es dürfte nichts geschehen sein, ich konnte noch bremsen, sagen Sie doch etwas, bitte!”
„Schon gut, ich bin nur ausgerutscht und fürchterlich erschrocken”, ich blickte mein Gegenüber zuversichtlich an und er half mir beim Aufstehen. “Hauptsache, Sie sind nicht verletzt und Ihre Strumpfhose lässt sich sicher auch ersetzten, kommen Sie ich helfe Ihnen”; er zog mich sanft hoch und richtete meine Kleidung. „Darf ich Sie nach Hause bringen oder vielleicht zu einem Kaffee einladen?”
„Ja, warum eigentlich nicht”, murmelte ich und kam mir ein wenig ferngesteuert vor. Er brachte mich zu seinem Wagen und wie brausten davon. Ich musterte meinen Chauffeur. Gut sah er aus, groß und schlank mit dunklem Haar, in das sich ein paar graue Strähnen verirrt hatten. Sein Gesicht war markant und wurde von ausdrucksstarken Augen dominiert.
„Studieren Sie ?”, fragte er und hielt vor einem kleinen Café im Univiertel.
„Sie können mich gerne duzen, kein Problem. Ja, Lehramt für Grundschule, antwortete ich ihm lächelnd.”
„Das hört sich gut an. Übrigens, ich bin Raoul”.
„Ich heiße Jana und finde duzen auch viel persönlicher, das ist an der Uni sowieso normal”. Das Café war gut besucht. Wir bestellten zwei Latte Macchiato und Raoul schwatzte mir köstliche Crêpes auf. „Als Trost, für den Unfall, damit du wieder zu Kräften kommst.”
Wie sprachen über dies und das und wurden uns im Laufe des Abends immer sympathischer. Dabei erfuhr ich auch Einiges über sein Privatleben. Raoul war zwar verheiratet, seine Frau und er führten jedoch eine offene Beziehung. Sie bewohnten zusammen ein großzügiges Loft im Ostend und jeder hatte neben dem gemeinsamen Bereich ein eigenes Schlafzimmer.
„Und, da ist keiner von euch beiden eifersüchtig, wie sieht es denn aus, wenn der eine oder andere mit jemandem die Nacht verbringt? Und – kommt das überhaupt vor?”, fragte ich erstaunt, denn solche Beziehungen kannte ich zwar vom Hörensagen, doch niemand, der sie selbst praktizierte. „Okay”, Raul bestellte uns noch zwei Espresso, „ich gebe zu, am Anfang war es nicht ganz so einfach. Doch mit der Zeit haben wir diese Lebensweise verinnerlicht und ich muss zugeben, ich bin sexuellen Dingen gegenüber viel offener. Gut, mittlerweile bin ich Anfang 40 und habe schon Einiges gesehen und erlebt. Doch meine Beziehung zu Mia ist einzigartig und unanfechtbar”, er zeigte mir auf seinem Handy ein Foto seiner Frau. Es verschlug mir fast den Atem. Elfenhaft sah sie aus, ein schmales Wesen mit langen roten Locken und einem katzenhaften Gesicht. Herausfordernd sah sie in die Kamera.
„Ich kenne Mia mehr als 10 Jahre, seit fünf Jahren sind wir verheiratet, wir haben keine Kinder. Ich gebe ganz ehrlich zu, die würden sich in unserem Leben sicher nicht wohlfühlen. Mia arbeitet am Theater und ich gehöre der schreibenden Zunft an. Mal hier, mal da. Und du? Hast du einen Freund?”
„Nein, ich bin solo und wohne mit einer Freundin zusammen. Jetzt bin ich im dritten Semester und eigentlich habe ich noch nicht allzu viel von der Stadt mitbekommen. Sicher, wir gehen abends auch aus, da gibt es den einen oder anderen Studentenclub, aber meistens bin ich zu Hause und lerne. Das hört sich bestimmt ziemlich öde an, oder?”, fragend schaute ich Raoul in seine unergründlichen dunklen Augen und dann auf seine schönen Hände. Das entging ihm nicht und zärtlich strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Dass du keinen Freund hast, wundert mich, so wie du aussiehst, oder stehst du auf Frauen?”, Raoul schaute mir prüfend ins Gesicht.
Nein, ich verheimlichte ihm nichts. Rein gar nichts, wenn er nur wüsste. Forsch und allwissend gab ich mich meinem Gegenüber und hatte doch nur wenig Ahnung. Dass ich ganz gut aussah, wurde mir immer wieder bestätigt. Doch einen Freund oder Liebhaber hatte ich deswegen noch lange nicht und Frauen waren nicht so mein Ding. Ich war zwanzig und immer noch Jungfrau. Was ich mittlerweile als grässlichen Makel betrachtete. Sicher hatte ich da und dort mit Jungs rumgeknutscht und mir auch mal meine Pussy fingern lassen, doch zum Eigentlichen war es nie gekommen. Ich wusste selbst nicht warum, aber die Typen schienen mir immer zu unreif. Ich träumte von einem Traumprinzen.
„Ich muss los, noch lernen”, abrupt stand ich auf und Raoul schaute mich sinnend an. „Ich bringe dich nach Hause, ist doch Ehrensache, jetzt wo du mir vor die Kühlerhaube gepurzelt bist.”
Draußen regnete es immer noch und der Wind pfiff durch die Straßen. Als er mich vor unserem Haus absetzte, klingelte das Handy. Ach, am Samstag feiern wir Mias Geburtstag, magst du kommen?”, fragte er mich lächelnd „Sag mir in den nächsten Tagen Bescheid”. Mit diesen Worten drückte er einen Zettel mit seiner Handynummer in die Hand.
„Wir freuen uns auf dich”, er küsste mich zärtlich auf die Nasenspitze. Später konnte ich kaum einschlafen. Raoul hatte es mir angetan, nicht nur er, auch die Verhältnisse, in denen er sich bewegte, das Leben, das er führte. Ich stand auf, ging zum Fenster und schaute in die sternenlose Nacht. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen und ich öffnete das Fenster. Die frische Luft, schon frühlingshaft, wehte ins Zimmer und tat mir gut. Spontan wählte ich Raouls Nummer, es war kurz vor Mitternacht. Nach kurzem Warten meldete er sich, und als ich ihm für Samstag zusagte, versprach er mir, mich rechtzeitig abzuholen.