7 Renée
Ich wachte an nächsten Morgen auf, weil ich dringend aufs Klo mußte. Erstmal aber mußte ich mich orientieren. Ich lag irgendwie wieder mal verkeilt, halb unter Ron, halb auf der Matratze. Samira war wohl schon wach. Vorsichtig löste ich mich von meinem Lebensgefährten und stand auf. Ich hatte Wadenkrämpfe und so ging ich in die Küche und ließ zwei starke Magnesium Brausetabletten in ein Glas Wasser. Dann humpelte ich ins Bad. Samira stand vor dem Spiegel, hob ihre Brüste an und lächelte ihr Spiegelbild lasziv an. Ich klappte die Klobrille hoch, stellte mich breitbeinig über die Schüssel und ließ es im Stehen einfach laufen. Samira sah mich im Spiegel und kam zu mir herüber. Es war eine unmögliche Situation.
Ich pisste mich gerade im Stehen aus und knutschte mit meiner besten Freundin und verschworenen Schwester. Doch irgendwie paßte diese Situation zu unserer Gemeinschaft. Samira war jetzt eine vollgültige, junge Frau, defloriert und gelöst. Die letzte Nacht hatte ihr die Befreiung gebracht. Ein- oder zweimal hatte sie noch an der vergangenen Erfahrung zu beißen, aber diese Attacken liefen deutlich glimpflicher ab. Und irgendwann hörten sie auf. Ich pieselte noch meinen Nachstruller ins Klo und wollte mir dann meine Spermagrotte trocken wischen. Doch Samira bückte sich und leckte mir die Punze aus. Und machte mich wieder total rattig. Auf dem Badezimmerboden hielten wir eine kleine lesbische Nachlese, die aber an Schärfe und Geilheit in nichts der Vögelei der letzten Nacht nachstand. Diesmal waren wir beide aktiv und passiv zugleich und gemeinsam erreichten wir einen Höhepunkt, der uns total befriedigte. Wir sahen uns an und fanden, daß es Zeit war, ins Badehaus zu gehen.
Zwei Stunden und etliche kleinere orgiastische Einlagen später waren wir wieder sauber, klar und bereit für den Tag. Noch immer zwei Tage bis Heilig Abend. Den wollten Ron und ich zusammen verbringen, Samira mit ihrer Familie. Eine Bescherung war für den ersten Weihnachtsfeiertag vorgesehen, zusammen mit Samiras Familie. Und für den Rest der Zeit bis nach Neujahr würde Samira bei uns bleiben. Von ihrem Geschenk hatte sie noch keine Ahnung.
Für den nächsten Tag, den 23. Dezember, hatte ich schon eine Putzkolonne und die Handwerker, die die Trennwände eingebaut hatten, bestellt. Am ersten Feiertag sollte der abgetrennte Teil des Hauses in neuem Glanz erstrahlen. Da es wieder ortsansässige Firmen waren, würde es hier auch an Weihnachten hoch her gehen. Wir hatten uns schon etwas für Weihnachten für die Beschäftigten einfallen lassen. Aus Dresden hatte Ron über die Firma dreihundert Stollen nach Original Dresdner Rezept kommen lassen, weitere zweitausend für die Firma. Diese dreihundert Stollen waren für die Firmen am Ort gedacht. Jeweils 1,5 kg schwer und mit einer zusätzlichen Gratifikation versehen.
Ron schlief noch. Samira und ich standen in der Küche und bereiteten ein Frühstück. Es war 8 Uhr. Draußen schneite es wieder, diesmal aber ohne Blizzard. Dafür kam jetzt eine Menge Pulverschnee vom Himmel, der liegenblieb und alles mit einem Guß wie von Puderzucker bedeckte. Die Luft war klar, kalt und herrlich. Wir toasteten Vollkornbrot, brieten Rohschinken und Spiegeleier, ließen Kaffee in unsere Becher und genossen einfach das Leben im Wintergarten.
Ich betrachtete Samira genau. Ihre Brüste, ihr Gesicht, ihren schlanken Körper.
„Wie geht es Dir, Schatz?” fragte ich sie.
„Wie neugeboren. Du hattest recht. Ich fühle mich als die Frau, die ich seit letzter Nacht bin.”
„Bist Du glücklich, es endlich hinter Dir zu haben?”
„Ja! Danke, daß Du gestern Abend darauf bestanden hast. Länger hätte ich das wohl nicht mehr ausgehalten. Aber was wird jetzt werden? Ich werde trotzdem ein Störobjekt sein in eurer Liebe.”
„Samira, ich liebe Dich genauso, wie ich Ron liebe. In mir ist keine Eifersucht. Ihr beiden seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Und die werde ich nicht aufgeben.”
„Und wenn ich einen Freund habe?”
„Das wirst Du, das hoffe ich für Dich. Aber auch dann wird sich nichts ändern.”
„Erkläre es mir, bitte.”
„Also, Wir drei sind eine verschworene Gemeinschaft. Wir bilden eine Einheit, die niemand sprengen kann, wenn wir zusammen halten. Wir können sie erweitern, wenn wir wollen. Müssen wir aber nicht. Uns verbindet Liebe, Samira und egal, wen Ron von uns beiden besteigt oder wer von uns ihn verführt – das ist völlig einerlei. Wenn ich meine Tage habe, kannst Du ihn befriedigen und umgekehrt. Oder er nimmt uns beide. Und glaube mir, Ron kennt da genauso wenig Eifersucht, wie ich. Eifersüchtig, das haben Ron und ich schon geklärt, wäre ich nur, wenn er oder Du aufhören würdet, uns euer Herz zu schenken, unsere Liebe verraten würdet. Das wäre so ziemlich das Ende. Denn ich würde dann nicht mehr leben wollen.”
Samira sah mich lange an. Dann sagte sie etwas, was ich bis ans Ende meines Lebens behalten sollte.
„Renée, Du weißt, daß ich das niemals tun würde. Ich liebe Dich mehr, als ich sagen kann. Und doch habe auch ich Angst. Ich weiß nicht, wie sich diese Triole entwickeln wird oder soll. Manchmal komme ich mir ein bißchen vor, wie das fünfte Rad am Wagen. Deshalb bin ich auch, als Ron wiederkam, ins Gästezimmer gegangen. Ich kam mir wie ein Störfaktor vor. Und ein bißchen werde ich das wohl auch bleiben.”
Ich dachte über ihre Worte nach. Samira war ehrlich zu mir. Ich mußte ebenso ehrlich zu ihr sein. Ein bißchen hatte sie Recht. Wir mußten das zu dritt klären. Samira war ein vollgültiger Teil unserer Gemeinschaft. Wir mußten ihr das Gefühl geben, daß dies auch die Wirklichkeit war. Vor allem sollte sie, wenn Ron von Reisen wiederkam, nicht mehr ausgeschlossen werden. Wenn Ron und mich jene extreme Geilheit packte, würden wir schon einen Weg finden, um diese zu befriedigen. Unser Anwesen war groß genug, um bei solchen ‚Points of no return‘ einen Bereich zu finden, um sich Seele und Hirn aus dem Leib zu ficken. Ich kannte meine Naturgeilheit. Aber auch Samira war so gepolt. Sie war noch etwas zurückhaltend. Aber mit jeder Ficksession, die sie erlebte, würde sie freier werden. Und ich dachte schon daran, daß mich das durchaus auch überraschen würde.
„Wir werden das klären, Schatz, das verspreche ich Dir. Noch heute Abend werden wir zu dritt darüber sprechen. Niemals sollst Du jemals wieder das Gefühl haben, Du seist ein Störfaktor.”
Dann umarmten wir uns. Zärtlich und ohne Begierde. Und wieder kamen ein paar Tränen. Doch die waren Freudentränen. Als Ron wach wurde, küssten ihn zwei junge, schöne Frauen. Sofort war er wieder da. Ich bremste aber seine geilen Fummeleien. Übermorgen war Heilig Abend und wir mußten noch einkaufen. Außerdem war aus der Zentrale eine Email gekommen. Ron erhob sich und gemeinsam hatten Samira und ich die Gestalt einer griechischen Götterstatue vor Augen. In einer nicht für die Öffentlichkeit vorgesehenen Diasammlung entdeckten wir in Athen einmal, wie die Statuen teilweise wirklich ausgesehen haben mußten. Das waren keine kleingehaltenen Pimmelchen. Die Geschlechtsteile waren so dargestellt, wie die Models teilweise drauf waren. Da war durchaus der eine oder andere steife Penis zu sehen. Und diese Darstellung hatten wir jetzt vor Augen. Wir wurden unruhig und machten, daß wir rauskamen. Sonst hätten wir für nichts mehr garantieren können.
Als Ron dann stadtfertig war, fuhren wir drei nach Berlin rein. Wieder parkten wir in unserem Parkhaus. Samira und ich trennten uns von Ron, ich wollte noch ein Geschenk für ihn und Samiras Eltern besorgen. Und wir wurden fündig.
Ich erstand eine neue Laptoptasche für Ron und einen neuen Aktenkoffer. Samira suchte für ihn eine Powerbank für sein Handy aus. Dann gingen wir in ein Herrenbekleidungsgeschäft. Hier fand Samira für ihren Vater einen schicken Schal, der ihn wärmen würde. Für ihre Mutter hatte sie schon etwas. Wir hatten neulich in einem Erotikkatalog im Internet gestöbert und Liebeskugeln entdeckt. Die wollte Samira ihrer Mutter schenken. Auch Pietro bekam neue Unterhosen, damit er seine Liebestöter endlich mal wegtun konnte. Alle Geschenke wurden eingepackt und an unsere Adresse geliefert. Ich würde Judith etwas Besonderes von mir schenken.
Die Lebensmittelbestellungen hatte ich schon vor Tagen aufgegeben. Sie waren auch schon angekommen. Samira und ich hatten alles untergebracht und teilweise eingefroren. Besonders Getränketechnisch mußten die Vorräte aufgefüllt werden. Im Schuppen, den wir isoliert hatten, herrschte immer die gleiche Temperatur, nämlich 5°C. So waren Mineralwasser, Limo, Cola, Bier und Säfte immer gut gekühlt, ohne einzufrieren. Wir trafen uns dann mit Ron zum Essen. Samira hatte von ihren Eltern wie jedes Jahr zu Weihnachten einen guten Betrag erhalten. Sie bestand darauf, uns einzuladen. Da Ron noch in die Firma mußte, lud er uns stattdessen ein, im Casino in der Firmenzentrale zu speisen. Es gab ein großes Hallo, als wir hereinkamen und den halben Vorstand vorfanden.
Eva und Laura begrüßten uns mit Küßchen, Ron mit einer Umarmung. Ich blickte sie an und lächelte. Ich wußte ja, was Ron in Berlin damals getrieben hatte, als er zur Vorstellung hinreiste. Das war das Wochenende, wo ich mir die Pflaume wundgerieben hatte, ohne Befriedigung zu bekommen. Ron hatte mir dann später in Einzelheiten erzählt, wie erst Laura und dann Eva ihn verführt hatte. Ich wußte auch, daß die beiden eine momentane lesbische Notgemeinschaft bildeten. Und hatte mit beiden schon intimen Kontakt gehabt. War sehr befriedigend. Doch beide akzeptierten, daß ich Rons neue Frau war und verbaten sich deshalb sexuelle Anzüglichkeiten. Auch bei Seiko und Yumi, den beiden Asiatinnen, wußte ich, daß sie zumindest gelegentlich zusammen in die Kiste stiegen. Sie hatten mir diesbezüglich schon Avancen gemacht. Natürlich sehr diskret. Der Rest des Vorstands war, freundlich ausgedrückt, schon ein wenig in die Jahre gekommen. Zwei Herren waren glücklich verheiratet, Herbert zweifacher Witwer.
Dann war an diesem Tag eine Dame da, die ich ganz besonders mochte. Roswitha MacKillian war zuständig für die sozialen Belange im Vorstand. Sie war Anfang fünfzig, sah aber wie 40 aus. Ihr brünettes Haar hatte sie zu einem Dutt zusammen gesteckt. Ihre Kleidung war schick, aber unauffällig. Farblich passte bei ihr immer alles zusammen. Was mich für sie einnahm, war ihre Freundlichkeit und Herzenswärme, die sie jedem zuteilwerden ließ, mit dem sie zu tun hatte. Sie war mit einem Schotten verheiratet gewesen. Ihr Mann war allerdings vor etwa 10 Jahren bei einem Arbeitsunfall ums Leben gekommen. Seitdem war sie in ihrer Arbeit in der Firma aufgegangen. Herbert Wallon holte sie in den erweiterten Vorstand, weil ihre Organisationsgabe unübertroffen war. Durch sie hatten wir unser Anwesen bekommen. Roswitha sah mich so ein bißchen als die Tochter an, die sie nie hatte.
So kamen wir dann zu einem unerwarteten Weihnachtsessen. Auch Samira wurde freundlich begrüßt und auch von ihr war man begeistert. Als Herbert hörte, daß ihre Heimatstadt Syrakus auf Sizilien war, sprach er italienisch mit ihr, was sie sofort erwiderte. Allerdings mit sizilianischem Einschlag. Wir hatten in den zwei Stunden, in denen wir zusammen waren, viel Spaß und ein vorzügliches Menü.
Herbert und Ron besprachen noch ein paar Einzelheiten für den nächsten Asientrip. Seiko und Yumi sollten ihn begleiten. Ich konnte leider nicht, da die Schule ja wieder anfing. Ron machte sich Notizen. Dann wurde es Zeit, aufzubrechen. Wir verabschiedeten uns von allen und wünschten frohe Weihnachten. Für Silvester hatten wir eine Einladung zur Party bei Herbert Wallon. Ich fuhr uns zurück. Für die Fahrt hatte ich am Morgen den Range Rover genommen, da der Allradantrieb und entsprechende Winterbereifung hatte. So kamen wir durch das Schneetreiben ohne Probleme durch.
Zu Hause verabschiedete sich Samira bis zum ersten Feiertag. Wahrscheinlich würde sie schon Heilig Abend kommen, wenn die Familienfeier vorbei war. Wir erwarteten sie. Vorher aber war noch Arbeit angesagt. Am Nachmittag kamen schon die ersten Handwerker und bauten die Trennwände ab, schlossen die Elektrik und die sanitären Einrichtungen an und sorgten für Behaglichkeit. Für die Heizung hatten wir zusätzlich im Keller zwei Blockheizkraftwerke, die nun die Heizung übernahmen. Die vormalige Ölheizung wurde abgeschaltet. Sie würde Zug um Zug ersetzt werden. Beide BHKs schafften das ganze Anwesen. Im Sommer wollten wir noch zwei kommen und installieren lassen, falls eines ausfallen sollte. Badehaus und Schuppen hatten je eine eigene Energieversorgung. Am nächsten Tag würden dann die Reinigungsfirma und die restlichen Handwerker kommen und dem bislang stillgelegten Teil des Hauses den gebührenden Glanz verleihen. Ich war schon gespannt, wie Samira darauf reagieren würde.
Ich hatte schon die Ablaufrinnen im Garten geöffnet, damit der Schnee schon in die Zisternen rieseln konnte. Sobald die Schmelze kam, würden die Speicher wieder gefüllt werden. Pumpen und Filter waren am Nachmittag schon nachgesehen und gereinigt worden. Jetzt schmückten Ron und ich die Wohnhalle mit Tannenzweigen und der Deko, die Samira und ich schon auf dem Weihnachtsmarkt erstanden hatten. Auf einen Baum verzichteten wir, lediglich ein paar große Zweige hatten wir uns geholt. Eine Tanne in unserem Park, die nahe beim Haus stand, schmückten wir mit Lichterketten, genau wie die vor unserem Haus an der Vorderfront. So entstand ein Lichtermeer, das wirklich einladend aussah. Den Rest des Tages verbrachten wir vor dem Fernseher, wo wir uns einen alten Film ansahen. Irgendwann wurde es Zeit, schlafen zu gehen und mit einer zärtlichen Nummer schlummerten wir dann ein. Immerhin mußten wir früh raus.
Den nächsten Tag war ich beschäftigt mit der Aufsicht der Reinigungsleute und Handwerker. Doch alles klappte hervorragend. Gegen Mittag war alles fertig und Ron bescherte die Firmen, die am 23.12. noch für uns gearbeitet hatten. Ein Lieferwagen war schon zu den Firmen unterwegs, um ihnen eine Weihnachtsbescherung zu bringen. Wir hatten für jeden Mitarbeiter einen Umschlag und ein eingepacktes Geschenk parat. In dem Umschlag war pro Mitarbeiter € 500 und im Geschenk ein Stollen. Die Arbeiter bedankten sich und wünschten uns ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Dann gingen wir durch die neu erweckten Räume und befanden, daß alles sehr gut geworden war. Ich schmückte das Schlafzimmer noch mit einem Dutzend Rosen und das Bett mit Rosenblütenblättern. Ich kannte Samiras Augenschwäche, wenn Neonlicht im Spiel war. Daher hatten wir darauf verzichtet und uns für LED und Halogenleuchten entschieden. Auch ein Teil des Gartens traten wir ihr ab, damit sie ihre Kräuter und Gemüse selbst anpflanzen konnte. Ihr Arbeitszimmer hatte schon einen neuen Computer, den Ron bereits sicher angeschlossen hatte. Dank seiner Kenntnisse war es kein Problem, Samira ins Heimnetz zu integrieren.
Soweit war alles bereit. Jetzt ging es an unsere eigene Wohnung. Ich bereitete noch unser Schlafzimmer vor. Auch hier gab es Rosen und auf unserem Bett ein Spiel aus Blütenblättern. Dann fuhren wir zur Kirche, die wir am Heilig Abend zur Christmette besuchen wollten. Der Pastor empfing uns und wir besprachen den Verlauf des Abends. Eingedenk unseres Adventssingens gestalteten wir die Christmette entsprechend musikalisch. Es waren in der Schule genug Gesangstalente, die über Weihnachten hierblieben. Auch für diese hatten wir eine Bescherung nach der Christmette vorbereitet. Und alle würden kommen. Die Mette würde besonders werden, in diesem Jahr. Für den Abend des 23. Dezember wollten wir ein Fondue machen. Genug Fleisch und Käse war im Haus.
Ron ging in den Schuppen, um einen Kasten Mineralwasser zu holen. Plötzlich überfiel mich eine innere Unruhe. Und keine fünf Minuten später klingelte Rons Handy. Ein Blick aufs Display zeigte mir den Grund für meine Unruhe: Barbara. Ich nahm das Handy und meldete mich.
„Hallo, Renée, hier ist Mama.”
„Du willst sicher Ron sprechen, Barbara, er ist draußen. Moment, bitte.”
„Barbara? Nicht mehr Mama?”
„Kleine Sekunde, gleich ist er dran.”
Dann drückte ich auf ‚halten‘ und lief raus zu Ron. Ich hielt ihm das Handy vor die Nase.
„Barbara.”
Ron seufzte, dann nahm er das Gerät und meldete sich.
„Hi Barbara!”
Es dauerte ca. fünf Minuten, dann legte Ron auf. Ich fixierte ihn fast schon.
„Barbara wird nach Weihnachten nach Berlin kommen. Dann werden wir das mit dem Haus und ihre weitere Versorgung besprechen. Sie will Dich auch sehen.”
„Ich sie aber nicht. Ich dachte, ich hätte das klargestellt!”
„Renée, auch wenn Dir das nicht passt, sie ist immer noch Deine Mutter. Und ihr müßt das klären. Sonst wird da nie Frieden sein zwischen euch. Verzeihen ist der erste Schritt. Versöhnung dauert und erfordert Vertrauen. Letzteres muß verdient werden. Aber Verzeihung ist ein Muß. Anders werdet ihr BEIDE nicht loslassen können. Und mit Sigi muß das auch genauso laufen.”
Ich senkte meinen Blick. Natürlich hatte er recht. Aber ob ich soweit war, wußte ich selber im Moment nicht.
„Also schön, dann mach einen Termin aus. Ich komme dann.”
„Oh nein, mein Schatz, so läuft das nicht! Du wirst sie anrufen und den Termin selbst mit ihr machen! Ihr beide besprecht, wo ihr euch trefft und ihr entscheidet auch, wo das Gespräch hingeht. Das ist allein eure Sache!”
Ich schaute ihn entgeistert an.
„Was verlangst Du da von mir?”
„Das, was schon lange hätte geschehen müssen, Renée! Du kannst nicht mit Deiner Familie über Kreuz leben, das funktioniert nicht! Niemand verlangt, daß ihr wieder ein Top-Verhältnis miteinander anstrebt. Aber dieses Gift muß raus! Denn es vergiftet uns ebenso. Und wir sollten hier wirklich zusammen halten. Also mach einen Termin und schaff das aus der Welt!”
Und damit ging er ins Haus.
Ich kannte Ron gut genug, um zu wissen, daß dieser Punkt nicht verhandelbar sein würde. Also griff ich im Haus zu meinem Handy und rief Barbara an. Wir einigten uns auf den 28.12., da sie zu dieser Zeit ohnehin in Berlin sein würde. Siglinde würde mit von der Partie sein. Ich wollte aber erst mit Barbara alleine sprechen und teilte ihr das auch mit. Am Telefon hörte ich ihre Erleichterung. Ich verabschiedete mich kühl und legte auf. Ron sah mich an.
„Zufrieden jetzt?”
Ich war angesäuert. Er seufzte.
„Komm mal bitte zu mir, Liebes.”
Ich ging zu ihm hin. Böse auf ihn konnte ich nicht sein.
„Renée, das ist sehr wichtig. Wenn wir mit ihnen nicht im Reinen sind, wird das immer zwischen uns stehen. Und bei alledem, was wir noch vor uns haben, können wir das nicht gebrauchen. Und vielleicht brauchst Du irgendwann einen Stützpunkt, zu dem Du zurück gehen kannst. Verbau Dir diese Möglichkeit nicht. Versprich mir das, bitte, okay?”
Ich nickte stumm. Dann kamen Tränen, die ich eigentlich nicht wollte. Ron nahm mich in seine Arme und ließ mich weinen. Lange. Bis die Tränen verebbten und ich ruhig wurde. Und wieder einmal erkannte ich, wie sehr ich ihn liebte.
„Danke, Schatz”, sagte ich nur.
Er sah mich lächelnd an. Den Rest des Abends verbrachten wir ruhig und friedlich bei einem guten Film. Vorher hatte ich schon den Fonduekessel klargemacht. Käse, Fleisch und warme Pizzabrötchen mit Knoblauchbutter und ein bunter Salat bildeten unser Abendessen. Dazu gab es einen besonderen Rotwein. Ich wußte, daß es bei der Silvesterparty bei Herbert Wallon Feuerzangenbowle geben sollte. Na, das konnte was werden. Für den Heilig Abend hatten Ron und ich vereinbart, daß es keine Bescherung geben würde. Das wollten wir mit Samira und ihrer Familie am ersten Weihnachtsfeiertag erledigen. Am nächsten Tag stand eigentlich nur Pflege und am späten Nachmittag ein Probesingen auf dem Plan. Um 20:00 Uhr würde dann die Christmette beginnen und etwa 2 Stunden dauern. Einzukaufen war nichts mehr. Das Haus war voll mit allen möglichen Speisen, Getränken, süßem Naschwerk und was es zu Weihnachten sonst so geben soll.
Für den Weihnachtsbesuch von Samira und ihrer Familie hatte ich ein klassisches amerikanisches Essen geplant. In einem besonderen Kühlschrank mit einer Null-Grad-Zone lag ein ausgewachsener Truthahn. Das Biest wog etwa 8 Kg, Knochen inklusive. Der würde morgen schon fertig gefüllt und mit einer entsprechenden Marinade eingerieben auf seine Garung im Backofen warten. Dazu sollte es Maisbrot, Kartoffeln, Trüffelfarce, Preiselbeeren und verschiedene Sauce aus den Südstaaten geben. Als Aperitifs würden unter anderem ein Gemisch aus Bourbon, Schlagsahne und Marillenlikör gereicht. Ich hatte diese Rezepte in Louisianas kennengelernt, aufgeschrieben und mitgebracht.
Als Gemüse standen zwei Salate, Prinzeßbohnen in Butter geschwenkt und zarter Brokkoli zur Auswahl. Als Nachtisch plante ich gebackene Bananen mit geriebenen Maronen und Schlagsahne. Wir konnten aber auch Crépes mit flambierten Kirschen anbieten. Zum Glück hatte ich beim Einzug darauf bestanden, daß wir uns komplette Services anschafften, für genug Personen. Das war zwar eine happige Ausgabe, aber nun erwies diese sich als gut. Auch der ausziehbare Esstisch würde am 1. Feiertag zur Geltung kommen. In seliger Weinstimmung brachten wir den 23. Dezember zu seinem Ende.
Am Morgen des 24. Dezember wachte ich wie gewohnt zuerst auf. Wieder einmal war ich glücklich und dankbar, Rons Frau zu sein, obwohl wir nicht verheiratet waren. Ich kuschelte mich an meinen Schatz und genoß einfach die Zweisamkeit. Wie gewöhnlich schliefen wir nackt. Ich brauchte einfach den Geruch seines Körpers, so wie er meinen brauchte. Das Gleiche erlebte ich jedesmal mit Samira. Ich döste noch eine Weile vor mich hin. Dann löste ich mich von Ron, stand auf und verrichtete meinen Toilettengang. Als ich ins Schlafzimmer kam, wurde Ron gerade wach. Zärtlich küsste ich ihn und ließ mich wieder in die ‚Buntkarierten‘ gleiten. Wie von selbst fanden unsere Körper zueinander. Seine Morgenlatte war prachtvoll. Ich stieg über ihn, verleibte sie mir ein und wiegte uns in einem sanften Rhythmus zum Orgasmus. Dann ging Ron zur Toilette und ich sah ihm dabei zu. Mich erregte es, zu sehen, wie der Urinstrahl aus seinem Joystick schoß.
Nach unserer Morgentoilette aktivierte ich unser Badehaus. Diesmal ließ ich in das letzte Becken außer Lavendel auch noch Nachtkerzenöl, Oleander und Calendula ein. Die nächsten zwei Stunden verbrachten wir mit relaxen. Es war kurz vor Mittag, als wir mit unseren Badekimonos wieder ins Haus gingen. Ich würde im Sommer noch einen Anbau vornehmen und eine Sauna errichten. Draußen war es im Moment nominell -8°, gefühlt -15°C. Im Moment schneite es noch nicht. Der Himmel allerdings hing voller Schnee. Und auch die Wettervorhersage verhieß komplett weiße Weihnachten und auch über den Jahreswechsel bis weit in den Januar hinein noch gehörige Schneefälle. Wir kleideten uns an und ich kontrollierte die Heizungsleistung. Gerade im Erdgeschoß hatten wir uns den Luxus einer Fußbodenheizung gegönnt, da alle Böden gefliest waren.
Samira rief an und wünschte uns frohe Weihnachten. Wir gaben die Wünsche zurück. Ich hatte trotz unserer Abmachung eine Kleinigkeit für Ron und Samira. Ich fragte sie, ob sie heute Abend kommen wolle. Sie ließ es offen, da die Familienfeier recht lange dauern konnte. Zumindest zur Mette würden wir uns sehen, da wir mit dem Chor der Schule dort singen würden. Mit dem Pastor hatten wir die Lieder abgesprochen. Gloria in Excelsis Deo war genauso dabei wie verschiedene Adventslieder aus dem 30jährigen Krieg. Begleitet würde die Musik vom Ensemble ‚Renaissance‘, welches sich mit alten Instrumenten gerade auf solche Feiern spezialisiert hatte.
Gegen Mittag aßen wir eine Kleinigkeit und gegen 18:00 machten wir uns auf den Weg zur Kirche. Diese war im Mittelalter erbaut worden. Erst war sie eine Garnisonskirche, dann wurde sie reformiert. Im 17. Jahrhundert brannte sie das erste Mal aus. Wurde wieder aufgebaut. Dann kam Napoleon und brannte sie wieder aus. Wieder erfolgte der Aufbau. Im zweiten Weltkrieg wurde sie nicht nur ausgebrannt, sondern vorher auch noch geplündert. Nach dem Krieg erfolgte der letzte Aufbau, wobei großzügige Spenden der westlichen Alliierten einen wesentlichen Beitrag leisteten, daß diese kleine widerstandsfähige Kirche wieder zu neuem Leben erwachte. In Gedenken an die Leiden Jesu fand man in dieser Kirche auch keine Ikonen, teure Reliquien oder Statuen. Diese Kirche war schlicht und einfach gehalten. Eine Skulptur war erlaubt worden. In Eisen geschmiedet war Maria dargestellt, wie sie Christus in ihren Armen hielt, als er vom Kreuz abgenommen worden war. Dieses Bild rührte mich jedesmal zu Tränen. Weil hier nicht die übertriebene Gottesmutter dargestellt worden war, sondern eine einfache Frau, die ihren toten Sohn in die Arme gelegt bekam. Und das hatte mich schon immer angesprochen. Warum das so war, wußte ich nicht. Jahre später wurde diese Kirche für mich zu meinem einzigen Rettungsanker.
Aber der Chorbereich war großzügig ausgestaltet worden, so daß wir alle Platz hatten. Hier war mit Licht gut gearbeitet worden. Überhaupt erstrahlte die Kirche in einem übernatürlichen Glanz, der nicht erklärbar war. Auch der Pastor war eigentümlich. Nicht, daß er etwa nicht geistlich herüber kam. Die Kirche des Heiligen Jakobus von Jerusalem, wie sie offiziell hieß, bot in den Kriegsjahren allen Schutz, die diesen benötigten. So wie der letzte Gemeindeleiter der ersten Gemeinde in Jerusalem allen Schutz bot, die diesen brauchten. Als die Römer Jerusalem und den Tempel vernichteten, starb Jakobus mit vielen Schutz suchenden in den salomonischen Hallen. Grausam verstümmelt und abgeschlachtet mußten die Leichen dort vermodern. In Erinnerung an diese Gräueltat hatte man diese Kirche errichtet. Und auch, um an das Leiden Christi für alle Menschen zu erinnern.
Alle Mitwirkenden unserer Schule und des kircheneigenen Chors waren schon da. In einem Nebenraum probten wir die Lieder, die wir heute singen wollten. Eine letzte Abstimmung mit der Kirchenorgel und den Musikern des Ensembles ‚Renaissance‘ und dann ging es los, pünktlich um 20:00 Uhr. Es wurde eine besondere Mette. Nicht nur die Musik befanden die Menschen als außergewöhnlich, sondern auch die Predigt, welche der Pastor extra für diesen Abend geschrieben hatte. Umrahmt wurde das Ganze mit einem Musical, welches die Kinder und beginnenden Jugendlichen aufführten. Wir vom Chor mußten parallel dazu improvisieren. Doch unser Chorleiter war ein erfahrener Musiker und Leiter. So erfuhren wir die Geschichte von einem leeren Strumpf, der mitbekam, wie sich die prächtigen Schuhe der anderen füllten. Nur er bekam nichts ab. Und dann passierte etwas, was dieser Strumpf nicht erwartet hatte: Plötzlich erschienen Engel und füllten diesen Strumpf, der die Menge der Geben nicht fassen konnte. Am nächsten Morgen, als die Kinder kamen, sahen sie den Fußboden überhäuft mit Geschenken. Auf jeden war ein Name geschrieben und viele Geschenke waren für die Kinder in der Nachbarschaft gedacht. So erfuhr der gesamte Ort, was Weihnachten bedeutet. Eines der Kinder aber, die dieses Wunder sahen, erbat sich nur den Strumpf, der seltsamerweise heil geblieben war. Dieses Kind war fortan so gesegnet, daß alles, was es tat, gelang.
Als die Kollekte gehalten wurde, steckten Ron und ich jeweils zwei Umschläge hinein. Wir wußten ja, daß fast jede Kollekte für die Sanierung des Kirchturms, in dem sich ein einmaliges Geläut befand, verwendet wurde. Ich habe Ron niemals gefragt, was er an diesem Abend da ins Opfer getan hat. Aber ich weiß, daß es gut 2000 € gewesen waren. Und ich hatte noch einmal die Hälfte hineingetan. Von seiner Weihnachtsgratifikation errichtete Ron eine Stiftung zur Sanierung der Kirche. Ich wußte, daß Ron diese Kirche liebte. Und ich liebte sie ebenso. Kurz nach Neujahr kam der erste Bauabschnitt zum Tragen. Als die Mette zu Ende war, stand der Pastor am Ausgang, um jeden ein gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen. Auch hier hatten wir vorgearbeitet. Jeder Kirchenbesucher bekam ein Paket mit auf dem Weg. Es enthielt einen Stollen aus Dresden und, je nach Bedürftigkeit, ein spezielles Paket nur für ihn oder sie zugeschnitten. Draußen nahmen wir Samira in Empfang, die uns gleich herzlich umarmte. Auch die Eltern umarmten wir und wünschten ihnen eine gesegnete Weihnacht. Es war jetzt fast 22:00 Uhr. Ich fragte ihre Eltern, ob Samira noch mit zu uns kommen dürfe. Beide nickten lächelnd. So fuhr Samira bei uns mit. Zu Hause angekommen, machte ich sofort den Kessel für die Feuerzangenbowle klar. Samira half mir bei dem Nachtessen und gemeinsam schmausten wir zur Feuerzangenbowle. In dieser Nacht kamen wir nur spät zur Ruhe. Gemeinsam haben wir Ron komplett entsaftet.