Es war so ein typischer Truck Stop. Überall standen diese riesigen Trucks und überall liefen Leute herum. Es waren meistens Männer, aber auch ein paar Frauen waren darunter. Die Stimmung schien gut. Es war Freitagabend und die Leute freuten sich auf das Wochenende.
Du parktest das Auto.
„Okay, wir werden jetzt uns Abendessen verdienen!”
Wir stiegen aus, nahmen unsere Gitarren und die kleinen Verstärker. Wir würden also doch spielen, und ich müsste wahrscheinlich nicht tanzen. Ein wenig enttäuschte mich das schon.
Wir kannten ein paar Songs. Wir hatten ein paar Songs geübt. Wir hatten ein paar Arrangements geschrieben für Westerngitarre und Bass. Es waren vielleicht fünfzehn Songs. Wir hatten Pop- und Rocksongs in Country arrangiert. Wir waren gut.
Wir spielten eine Weile für uns selbst, bis die Leute auf uns aufmerksam wurden.
Aber dann bildete sich eine Menschentraube um uns, und je mehr Leute kamen, desto mehr Spaß hatten wir. Bald rockten wir die Leute und zwanzig oder dreißig Männer und Frauen versammelten sich, klatschten und tanzten zu meiner Musik.
Wir hatten einen Hut vor uns gestellt, und er füllte sich langsam mit Dollarscheinen.
Mehr und mehr Leute erschienen und um unsere Musik herum entwickelte sich so etwas wie eine Party.
Irgendwann brachte uns irgendwer ein paar Bier, und wir machten eine Pause.
Zum ersten Mal fiel mir eine Frau auf, die mich anstarrte. Sie war klein, braungebrannt und übergewichtig. Sie trug ein ausgewaschenes T-Shirt. Getrocknete Schweißflecken waren unter den Armen zu sehen. Ausgetragene Jeans und Cowboystiefel, eine Baseballkappe.
Als sich unsere Blicke trafen, nickte sie und deutete ein Grinsen an.
Ich schaute weg, konnte quasi sehen, dass sie nach ranzigem Schweiß roch.
Wir spielten ein weiteres Set, und die Stimmung war gut. Menschen kamen und gingen, einige blieben den ganzen Abend. Immer wieder leerten wir den Hut mit den Dollarscheinen.
Wir waren längst durch unser Repertoire gegangen und hatten wieder von vorne angefangen.
Es wurde spät, und langsam gingen die Leute. Nur wenige waren noch da, und etwas entfernt stand immer noch diese Frau. Ich hatte sie immer mal wieder gesehen, wie sie an einer Flasche Schnaps in einer braunen Papiertüte nippte.
Schließlich machten wir Schluss, nur noch eine Handvoll Leute waren da, und die bedankten sich, wechselten noch ein paar Worte und verschwanden ziemlich bald. Die Nacht hatte etwas Kühle gebracht, die Sterne leuchteten, der Mond war hinter einer Wolke verschwunden.
Du drücktest mir die Instrumente in die Hand, und ich brachte sie zum Auto und verschloss sie im Kofferraum, während du das Geld zähltest.
Als ich zurückkam, sprachst du mit der Frau. Sie zeigte in meine Richtung, und ich hatte das Gefühl, dass ihr über irgendwas verhandelt.
Ich stellte mich neben dich, griff nach deiner Hand, um ihr zu zeigen, dass ich zu dir gehörte.
Ihr warft euch Summen hin und her und traft euch schließlich bei 70. Ich wusste nicht, worum es ging, sah dich erwartungsvoll an, aber du ignoriertest mich, beendetest erst die Verhandlungen. Schließlich erklärtest du:
„Das hier ist Rose. Rose mag dich. So sehr, dass sie bereit ist, uns 70 Dollar zu zahlen, wenn du sie auch ein wenig magst.”
Ich sah sie an. Sie lächelte wieder, aber nun schien sie sehr entspannt zu sein. Sie nickte mir zu.
„Hi!”
Ich nickte zurück. „Hello!”
„Was soll ich machen?”, fragte ich dich. Die Frau machte mir ein wenig Angst.
„Rose arbeitet hart. Sie fährt einen riesigen Truck durch ganz Amerika. Sie fährt von Alaska nach New Mexiko. Von Kalifornien nach Maine. Tagein tagaus. Rose hat keine Familie. Sie lebt quasi in ihrem Truck. Und sie ist oft sehr einsam. Du könntest ihr helfen, die Einsamkeit für eine kurze Zeit zu überwinden. Und nebenbei könnten wir unsere Kasse ein wenig aufbessern.”
Die Story klang traurig. Ich sah die Frau an, die gar nicht so einsam und traurig aussah.
„Was soll ich machen?”, fragte ich wieder.
„Ihr geht zu ihrem Truck, und du tust, was du am besten kannst!”
Musik machen, schoss mir als erstes durch den Kopf. Aber das meintest du nicht. Du meintest etwas anderes.
Ich trat an dich heran und flüsterte dir ins Ohr:
„Ich habe ein bisschen Angst vor ihr.”
„Keine Sorge!”, flüstertest du. „Ich bin in der Nähe.”
Ich atmete tief durch, dann sagte ich:
„Okay!”
Du sahst die Frau an und zeigtest ihr den nach oben gereckten Daumen, als wäret ihr euch endgültig handelseinig.
„Great!”, meinte sie. „Let’s go!”
Sie nahm mich an der Hand. Ich spürte ihre Schwielen, ihre Hand war rissig und muskulös. Sie zog an meiner Hand, und ich folgte.
Sie hatte ihren Truck am Rande des Parkplatzes abgestellt. Es war ein Riesenteil.
Neben dem riesigen Hinterrad der Zugmaschine blieb sie stehen und drückte mich gegen den Reifen. Ich roch den Gummi und den Gestank von Öl. Aber auch ihren ranzigen Schweiß. Sie trat an mich heran.
Ich suchte dich, du standst ein paar Meter entfernt und sahst uns uninteressiert zu.
„Hello, Honey!”, flüsterte Rose mir zu, und ich roch den Alkohol in ihrem Atem. „I like you very much!”
„I like you too”, sagte ich etwas unsicher.
“Good!”, sagte sie und drückte ihren Körper an mich.
Ängstlich folgte mein Blick ihrer Hand, wie man einer Schlange folgt. Sie streichelte über meine Wange. Es fühlte sich rau an.
Dann presste Rose ihren Mund auf meinen, küsste mich roh und gierig. Ich ließ sie in meinen Mund, ich wehrte mich nicht, lies meinen Körper gegen den Reifen pressen. Ihre Hand griff nach meiner Brust und knetete sie. Es war nicht sanft, nicht romantisch, nicht schön. Trotzdem machte es mich an.
Doch ich ließ es geschehen, versuchte sogar den Kuss zu erwidern und mitzuspielen. Rose sollte sich nicht beschweren, wenn ich ihr die Einsamkeit stahl.
Sie löste sich von meinem Mund, küsste meinen Hals. Ein Speichelfaden rann mir den Hals hinunter. Ich stellte mir vor, wie das aussähe. Meinen Hals hatte ich immer gemocht. Er war schlank und wohlgeformt, hatte etwas Schwanenhaftes. Und nun sabberte diese Frau darüber. Diese Frau aus der Unterschicht! Ich drehte meinen Kopf. Du hattest dich einige Meter entfernt an den Truck gelehnt und sahst uns zu. Dein Blick war kühl. Ich suchte Mitgefühl darin, aber fand nichts. Du bliest mir sogar einen Kuss zu und lächeltest dabei ausdruckslos. Als hätte ich es verdient.
Ich sah dich weiter an, während die Frau sich an meinem Körper abarbeitete.
Ich hoffte, dass du stolz auf mich warst. Dass ich mich für dich dieser Frau hingab. Dass ich all das erduldete. Es war okay. Ich machte es. Es machte mir nichts aus, so lange du da warst. Ich tat es für dich. Na gut, vielleicht nicht nur. Vielleicht war da mehr.
Ihre Hand knetete immer noch meine Brust, die andere drückte in meinen Schritt. Auch daran war nichts Erotisches. Es waren plumpe Bewegungen. Du warst viel besser als sie.
Und doch wurde ich scharf. Weil ich dich ansah. Dein Blick lag auf mir wie die Hände dieser abstoßenden Frau. Du tatst alles, um mich zu erregen. Es war nur der Körper dieser Frau, der sich wie ferngesteuert über mich hermachte.
Schließlich wandte sich Rose von meinem Hals ab, drehte meinen Kopf zu ihr und sah mir tief in die Augen.
„Let’s go!”, sagte sie leise, und ich verstand erst, als sie meinen Kopf nach unten drückte. Ich ging vor ihr auf die Knie und öffnete den Gürtel. Sie hatte eine schwere Gürtelschnalle, die wie eine Pistole geformt war.
Ich öffnete ihre Hose, zog die speckige Jeans herunter und dabei auch ihren Slip.
Bevor ich mich ans Werk machte, schaute ich noch einmal zu dir hinüber. Du starrtest uns an, lecktest dir die Lippen.
Roses Hand drehte meinen Kopf und drückte ihn zwischen ihre Schenkel. Ihr Geruch war stark, weiblich, verschwitzt. Ich mochte ihn nicht, aber ich würde ihn für dich ertragen. Ich musste nicht viel tun. Rose gab den Rhythmus vor, sie drückte meinen Kopf immer wieder zwischen ihre Schenkel, ich musste nur meine Zunge herausstrecken.
Mit einem tierischen Grunzen kam sie dann auch recht schnell. Es machte mir nichts.
Meine Gedanken aber waren die ganze Zeit bei dir.
Kapitel 24
Es war Abend, als Joelle mir diese Geschichte vorlas. Sie lag zu meinen Füßen. Ich hatte sie darum gebeten.
Ich war so ein bisschen geplättet, was sie da zusammenfabuliert und auf das raue Klopapier geschrieben hatte. Sie hatte unermüdlich geschrieben unter dem Tisch, nachdem ich schon längst mit meiner Arbeit fertig gewesen war. Sie hatte nackt unter dem Tisch gekauert und war ihrer Schreiberei verfallen. Ich hatte ihr ein Glas Wasser gebracht, aber sie hatte es nicht zur Kenntnis genommen, hatte einmal „Danke” gemurmelt, aber sah nicht einmal hoch, sondern schrieb weiter.
„Wow! Du hast schon Phantasien!”, meinte ich, nachdem sie mir die Geschichte vorgelesen hatte.
„Gefällt’s dir?”
„Obwohl ich mich nicht so als Zuhälterin sehe und dich nicht so als Prostituierte.”
„Beides wollte ich auch nicht sagen.”
„Ich weiß.”
„Das sind Phantasien, keine Wünsche. Da gibt es einen Unterschied.”
„Ist mir schon klar.”
Sie sah mich an.
„Gut! Das ist mir nämlich wichtig. Mein Privatleben und so.”
Ich lächelte versöhnlich: „Keine Sorge, ich habe schon verstanden!”
„Okay! Hat es dir denn gefallen?”
„Sehr scharf machst du mich!”
Wir sprachen noch ein wenig darüber, dann spielten wir die Story nach.
Noch spät in der Nacht führte ich sie nach draußen und benahm mich dabei grob, als spielte ich die Truckerin und sie die Unschuld vom Lande, die naiv und brav gehorchte. Die Sterne leuchteten uns wie in ihrer Story, aber auf Mallorca war in dieser Nacht auch der Mond zu sehen. Ich führte sie zu unserem Leihwagen und wir spielten vage diese Szene nach, die sie sich ausgedacht hatte. Mit mir als der Trucker-Lesbe, die sie nicht gerade liebevoll behandelt. Nachdem sie mit mir fertig war, wie sie sich das vorgestellt hatte, packte ich sie, zog ihr die Jeans runter und beugte ihren Oberkörper über die Motorhaube unseres Leihwagens.
Ein wenig widerstrebte mir, sie so zu degradieren, aber sie wollte das wohl, und es war alles nur ein Spiel.
Kapitel 25
Die nächsten Tage verbrachten wir wie ein Liebespaar auf Flitterwochen. Wir liebten uns, gammelten über die Mittagszeit und wurden erst am Nachmittag aktiv.
Joelle war meist ein kleines Engelchen. Sie war aufmerksam, gut gelaunt und entspannt.
Ich wurde mir in diesem Moment erst bewusst, wie sehr sie in Deutschland unter Druck stand. Natürlich konnte es auch an mir liegen, dass ich sie zu einer neuen Person machte. Aber eigentlich glaubte ich das nicht. So viel Einfluss hatte ich nicht auf sie.
Wir wälzten uns im Bett, ich scheuchte sie herum, band sie in entlegenen Wäldchen an Bäume, peitschte sie mit Pinienzweigen aus, ließ Ameisen über ihren nackten Körper krabbeln, schmierte Hönig auf ihren Bauch, um noch mehr Viecher anzulocken. Aber es klappte nicht, und am Ende wälzten wir uns über den Boden und unsere Körper waren vollkommen verklebt. Ich ließ sie mich waschen, und wir machten uns lustig darüber, dass wir in dieser Woche in Mallorca nichts anderes als unsere Geschlechtsteile gesehen hatten, weil wir quasi nur noch unsere Köpfe zwischen die Beine der anderen steckten.
Das Wetter trug dazu bei. Wir hatten uns die heißeste Zeit des Sommers ausgewählt, und das bedeutete auch, dass die Tage draußen unerträglich heiß waren, sodass wir uns entweder im Haus vor der Hitze versteckten, nasse Handtücher vor die Fenster hängten oder mit geöffneten Fenstern und voll aufgedrehter Lüftung mit dem Auto herumfuhren, uns dann aber nicht dazu durchringen konnten, auszusteigen. Wir hatten ein schlechtes Gewissen wegen unserer Ignoranz, dass wir die Schönheit der Insel so wenig schätzten. Aber wir schworen uns, noch einmal zurück zu kommen, wenn es weniger heiß wäre, und dann würden wir alles nachholen, was uns entgangen war.
Wenn wir dann unterwegs waren, spielten wir: „Wenn ich du wäre für Sexsklavinnen”. So hatten wir es getauft. Das Spielt bestand darin, dass ich ihr kleine Aufgaben gab, die peinlich waren oder mir Freude bereiten sollten. Und sie musste gehorchen.
„Wenn ich du wäre, würde ich heute ein Kleid tragen, und zwar ein kurzes!”
„Wenn ich du wäre, würde ich jetzt auf die Knie fallen und mir die Füße küssen!”
In der Art und Weise.
Ich ließ sie mir ein Eis holen, das ich genüsslich vor ihren Augen halb aß und dann wegwarf, während sie zuschauen musste. Ich ließ sie mir den Schweiß von der Stirn tupfen und mich mit feuchten Tüchern kühlen. Ich ließ sie mich küssen und verlangte, dass sie den Wagen fuhr und gleichzeitig mit der rechten Hand meinen Schritt massierte. Ich fand störende Flecken auf der Windschutzscheibe, die ich sie mit ihrem Slip wegwischen ließ.
Ich ließ sie irgendwo auf einer Landstraße anhalten und mir ein paar wilde Blumen pflücken, und als wir an einem Bauern vorbeifuhren, der mühsam einen Karren zog, meinte ich:
„Wenn ich du wäre, würde ich dem alten Mann da mal so eine richtige Freude machen.”
„Ja? Und wie würde ich das anstellen?”
„Ich finde, der Mann arbeitet so hart. Hier in der Sonne so einen Karren zu ziehen, das ist schon was Besonderes! Weißt du, worüber der sich bestimmt freuen würde?”
„Worüber?”
„Der würde sich so richtig über den getragenen Slip einer jungen, sexy Schönheit freuen!”
„Oh, du willst ihm deinen schenken?”
„Sehr nett. Aber ein bisschen zu plump. Du hast deinen ja schon in der Hand!”
„Aber der ist siffig, damit habe ich gerade die Scheibe geputzt, und das Teil ist nicht ganz billig.”
„Hast du wieder die Dior-Unterwäsche mit Diamantbesatz an?”
„Sehr witzig. Das ist kein Dior! Aber trotzdem teuer!”
„Umso mehr wird der Mann sich freuen! Vielleicht kann er den verkaufen und sich dann zur Ruhe setzen.”
„Ganz bestimmt nicht!”
„So, genug Ungehorsam! Wir drehen jetzt um, du schenkst ihm deinen Slip! Keine Diskussionen, wenn du nicht für den Rest unseres Trips im Kleiderschrank eingesperrt werden willst!”
Sie sah mich gespielt böse an, bremste, drehte den Wagen und fuhr zurück.
Als wir dem Mann näher kamen, hupte sie, bremste und drückte ihm im Vorbeifahren ihr getragenes Höschen in die Hand.
Im Rückspiegel sahen wir, wie der Mann verdutzt das Stück Stoff in den Händen hielt.
„Du kleines Flittchen! Du bist ja so ein Luder!”, lachte ich.
Den ganzen Tag über zog ich sie noch auf damit, und sie ließ es zähneknirschend über sich ergehen.
Wir hatten Spaß.
Doch gegen Ende unserer Woche begann Joelle sich zu ändern. Deutschland rückte näher und damit kehrte der Druck zurück. Sie sprach über ihre anstehenden Prüfungen, bedauerte, dass sie so lange nicht geübt hatte und wurde launig.
Am Tag des Rückflugs beschwerte sie sich lautstark, dass ich sie verletzt hätte. Sie hielt mir ihre Handgelenke hin, die vollkommen makellos waren, und meinte, dass ich sie beim Fesseln verletzt hätte. Sie schrie mich quasi an, dass ich ihre Karriere in Gefahr bringe. Ihre Hände seien ihr Ein und Alles und ich dürfe sie nicht einfach so mit diesen Seilen verletzen. Ich sah mir ihre Handgelenke an, aber es war wirklich nicht mal eine Rötung zu erkennen. Von den Hautabschürfungen, von denen sie sprach, war nun beim besten Willen nichts zu sehen. Auch kein rohes Fleisch, wie sie meinte. Nichts. Was war geschehen?
Wir hatten noch ein wenig mit den Seilen gespielt, ich hatte sie in der vergangenen Nacht an die Bettpfosten gebunden. Ich hatte sie so oft an den Rand eines Höhepunktes gebracht und sie dann hängen lassen und dann wieder begonnen, nur um sie dann wieder hängen zu lassen, dass sie mich am Ende der Nacht angebettelt hatte, sie zu erlösen. Sie war quasi am Rand des Nervenzusammenbruchs gewesen. Sie war kurz davor gewesen, dem Wahnsinn zu verfallen, zumindest meinte sie das. Ich hatte ihr dann den Wunsch erfüllt und sie erlöst.
Und nun machte sie so eine Szene und drohte mir quasi, mich zu verklagen, wenn ihren kostbaren Händen etwas passiert sein sollte.
Ich hörte mir das Gezeter eine ganze Weile an, und dann unterbrach ich sie:
„Jetzt bleib mal ganz ruhig!”
„Wie soll ich denn ruhig bleiben, wenn du alles kaputt machst, was ich habe?”
„Ganz ruhig! Jetzt mal ganz, ganz ruhig, Prinzessin!”
„Nenn mich nicht Prinzessin!”
Ich unterbrach sie mit einem schwungvollen Zeigefinger vor den Mund.
„Da ist nichts. Nichts. Überhaupt nichts. Du spielst dich hier für nichts auf! Es ist nichts passiert. Deine Hände sind wichtig, das kapiere ich. Meine sind es im Übrigen auch! Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die total in Ordnung sind. Ich kann mich nicht erinnern, dass du dich gestern Nacht beschwert hättest, als ich zwischen deinen Schenkeln lag. Wenn sich hier einer beschweren kann, dann bin ich das. Und ich sollte dich verklagen, denn ich habe heute Muskelkater an der Zunge vom vielen, du weißt schon.”
„Das ist nicht witzig!”
„Du bist nicht witzig. Benimm dich endlich mal wie eine Erwachsene!”
Wir beschimpften uns noch eine Weile. Schließlich haute sie mit der Faust auf den Tisch, dass ich mir Sorgen machte um ihre Hand, und stürmte aus der Finca.
Für den Rest des Morgens waren wir beide sauer aufeinander und sprachen nicht miteinander. Wir packten, reinigten die Finca, wobei sie Ausreden fand, nicht zu viel tun zu müssen und fuhren schweigend den Leihwagen zurück zum Flughafen.
Nach dem Check-in verschwand sie im Duty Free Shop, und ich war froh, ein wenig meine Ruhe vor ihr zu haben.
Sie brachte mir dann aber doch ein Sandwich mit, da wir noch nicht gefrühstückt hatten, und im Flugzeug überraschte sie mich damit, dass sie meinen Kopf zu sich zog, als das Flugzeug startete und mich wie beim Hinflug mit Küssen eindeckte und ablenkte.
Dieses Mal beobachteten uns ein paar junge Männer, pfiffen leise und lachten.
Joelle hatte ihre riesige Brille aufgesetzt, doch ich spürte die Kälte ihres Blickes dahinter.
Sie ließ ihre Hand auf meinem Oberschenkel, schaute aber in Gedanken versunken aus dem Fenster, während ich wieder in meiner Spex blätterte.
„Meinst du, dass ich mich nicht auch offen als Lesbe in der Öffentlichkeit zeigen könnte? Ich meine, Lesben sind doch okay. Männer stehen auf Lesben, und Frauen irgendwie auch. Viele zumindest. Meinst du, ich könnte das nicht nutzen? Ich habe keine Lust mehr, Verstecken zu spielen!”
Dieser Satz kam wie aus dem Nichts.
Während ich in den letzten Tagen darüber nachgedacht hatte, ob ich sie liebte und sie mich vielleicht, war das für sie scheinbar eine Frage des Marketings und ihres Images.
Vielleicht wollte sie mich damit auch nur treffen? Ich wusste es nicht. Ich wollte es in diesem Moment auch nicht. Vermutlich war es nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Welt sich nur um sie drehte, und ich allenfalls eine Spielgefährtin war.
Die Welt kreiste halt um sie, und auch ich würde es nicht schaffen, den Lauf ihrer Gestirne zu verändern und sie aus dem Zentrum zu vertreiben. Ich würde nie wirklich ihre Herrin sein, sondern nur eine Spielgefährtin. Und vermutlich würde sie mich nie so lieben, wie sie sich selbst liebte. Aber das war vielleicht auch zu viel verlangt.
Vielleicht merkte sie, dass der Gedanke mir nicht gefiel. Sie wartete jedenfalls nicht auf meine Antwort, drehte sich von mir ab, schaute aus dem Fenster und versank wieder im Schweigen. Und so trennten wir uns auch. Sie fuhr mich nachhause, wo wir uns einen flüchtigen und unverbindlichen Kuss gaben. Ich lud sie noch auf einen Kaffee ein, aber sie meinte, sie müsse nachhause, und ich war froh darüber.
In meiner Wohnung warf ich die Waschmaschine an, beantwortete meine Mails und war bald wieder in meinem Trott.
Kapitel 26
Es dauerte eine Weile, bis wir uns wiedersahen. Ich hatte viel zu tun, ein paar neue Jobs taten sich auf, und ich machte für meine Verhältnisse einen Haufen Geld mit ein paar Studiojobs. Es war alles sehr zeitintensiv, daher kam ich zu nichts, und bei Joelle war es wohl ähnlich. Wir telefonierten einmal kurz und verständigten uns sonst über Kurznachrichten.