Endlich geht dieser lange Schultag vorbei. Den ganzen Nachmittag habe ich in dieser muffigen kleinen Schulbibliothek gesessen und an meinem Referat gearbeitet. Von 14 bis 18 Uhr, ununterbrochen. Die letzten zwei Stunden davon war ich die Einzige, die noch da war. Außer diesem komischen alten Typen, der da arbeitet. Ein halber Bär ist das, riesig groß und ziemlich massig. Einige Male hatte ich das Gefühl, er würde mich durch seine Brillengläser anstarren.
Besonders wenn ich etwas geholt habe und ihm dann meinen Rücken zugewandt habe, dann habe ich seine Blicke auf meinem Hintern fast schon fühlen können. Ich habe es auch mehr als einmal bereut, mich so sexy angezogen zu haben, aber heute Morgen hatte ich noch gedacht, ich würde nach der Schule mit meinem Freund in die Stadt gehen. Und dann kam dieses dämliche Referat dazwischen. So habe ich jetzt eine enge hellblaue Hüftjeans an, die so tief sitzt, dass der Kerl mittlerweile bestimmt mehrfach den Ansatz von meinem hellblauen Tanga gesehen hat. Das weiße eng anliegende Top kann man auch nicht gerade als konservativ bezeichnen und die schwarzen Stiefel, in die meine Jeans gestopft ist, schon gar nicht.
Aber jetzt hab ich immerhin dieses Kapitel gleich hinter mir. Einmal noch zum Abschluss die ganzen Bücher zurück geben und dann raus hier. Ich lege alles vor ihn auf die Theke, sage nur „die zurück” und auch er nimmt sie ohne etwas zu sagen entgegen. Na immerhin denke ich mir. Packe meine Sachen zusammen und gehe Richtung Garderobe. „Schönen Abend noch, Kleines” höre ich ihn auf einmal mir nachrufen. Kleines? Wieso nennt er mich Kleines? Automatisch zucke ich etwas zusammen und bleibe kurz stehen. Irgendetwas liegt in seiner Stimme, als er das sagt. Ich drehe mich leicht und gucke über meine Schulter zu ihm zurück. Er sitzt immer noch auf seinem Stuhl und guckt mir jetzt fest in die Augen. Der Blick hat auf jeden Fall etwas einschüchterndes, so dominant und bestimmt. Ein kleiner Schauer läuft mir über den Rücken, während ich etwas eingeschüchtert den Blick erwidere. Es ist ein bisschen, als wäre ich in einer Schockstarre.
Dann schaffe ich es endlich mich zu lösen und drehe meinen Kopf wieder nach vorne und gehe weiter. An der Garderobe nehme ich meine Jacke, setzte die Mütze auf und gehe schleunigst nach draußen. Kleines, was denkt der sich…
So richtig weiß ich nicht genau, wohin ich soll, mein Freund muss gleich zum Fußball, wir haben am Telefon vereinbart, dass wir uns treffen, wenn er wieder zurück ist. Bis dahin sind es aber bestimmt noch drei Stunden hin. Ich entschließe mich, erst mal noch etwas in die Stadt zu fahren. Zum Glück muss ich nicht lange auf die Bahn warten. Als ich in der Stadt ankomme, merke ich erst, wie kalt es ist. Und dass ich meinen Schal in der Schule vergessen haben muss. Aber zurück will ich sicher nicht mehr. So packe ich mich so fest in meine Jacke ein, zieh die Mütze tief in den Kopf und marschiere durch die mit Lichtern erleuchteten Einkaufsstraßen. Dabei merke ich natürlich nicht, dass der Typ aus der Schulbibliothek, seit dem Moment wo ich die Schule verlassen habe, in einigem Abstand hinter mir herläuft und meinen Hintern fest im Blick hat. Mein Schal steckt in seiner Manteltasche. Ich gehe in verschiedene Läden, ohne die Absicht irgendwas zu kaufen, einfach nur um etwas Zeit zu vertreiben oder um der Kälte zu entgehen. Knapp anderthalb Stunden kriege ich so einigermaßen gut rum, bis die meisten Geschäfte langsam zu machen.
Gerade als ich mich entschließe erst mal nach Hause zu fahren, ruft eine Freundin an und fragt ob ich spontan Lust habe auf ihren Geburtstag anzustoßen. Die Bar, in der das stattfindet, liegt zwar am anderen Ende der Stadt, aber ich hab ja noch nichts anderes zu tun. Also zur nächsten Bahn. Mittlerweile ist sie sehr viel voller als noch vorhin und ich muss mich etwas hineinzwängen. Immer wenn endlich Leute bei der nächsten Station aussteigen, steigen mindestens genau so viele wieder ein, sodass die Bahn überfüllt bleibt. Da bleibt es natürlich auch nicht aus, dass es zu Körperkontakt kommt. Auf einmal spüre ich eine Berührung an meinem Hintern. Erst nur ein leichtes flüchtiges Streichen, dann nach kurzer Pause plötzlich ein festes und bestimmtes Zugreifen. Zwei große Hände umfassen meine beiden Pobacken für einen kurzen Moment. Ich zucke erschrocken zusammen, traue aber nicht mich direkt umzudrehen. Genau so plötzlich, wie sie gekommen sind, sind die Hände allerdings auch wieder weg. Vorsichtig schaue ich mich um, sehe aber niemanden, der sich etwas anmerken lässt. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu versuchen, es zu vergessen.
Es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass mich jemand begrapscht hätte, aber irgendwie war es dieses Mal anders… Als ich meine Hose etwas zurechtrücke, bemerke ich einen Zettel in meiner rechten Gesäßtasche. Ich ziehe ihn raus, falte das Blatt auf und lese:
„Geiler Arsch du heißes Stück!! Den kann ich mir in der Jeans schon stundenlang angucken, wie wird das erst, wenn du nur noch deinen sexy blauen Tanga trägst…”
Während des Lesens zucke ich erneut so zusammen, als hätte mich der Typ noch mal berührt. Automatisch versuche ich meine Hüftjeans hoch und die Jacke etwas runterzuziehen, um meinen Tanga Ansatz zu verbergen. Wieder gucke ich mich um, aber wieder sehe ich niemanden. Auch nicht den Typ von der Schule, der nicht all zu weit entfernt steht und meine Reaktion auf seinen Zettel ganz genau betrachtet und dabei in sich hinein grinst. Etwas aufgewühlt steige ich bei meiner Station aus und gehe zu der Bar, wo die Freundin ihren Geburtstag feiert. Es ist ziemlich voll und ich muss mich erst mal umschauen, bis ich die Gruppe entdecke. Auf meine herzliche Umarmung des Geburtstagskindes bekomme ich direkt den ersten Sekt in die Hand gedrückt und muss anstoßen. Unbemerkt von mir, betritt etwas nach mir der Mann aus der Bibliothek die Bar. Er sucht sich einen Platz an der Theke, in einiger Entfernung zu meiner Gruppe und beobachtet mich von dort.
Es vergeht etwas Zeit und es fließt einiges an Alkohol. Nur mein Freund meldet sich noch nicht. Ich gucke auf mein iPhone, habe auch Netz, aber eben keine Nachricht. Also stecke ich das Handy wieder weg, in eine Außentasche meiner Jacke, die über meinem Stuhl hängt. Ich weiß nicht genau wieso da hin, normalerweise packe ich es immer in meine Tasche. Wenn er sich nicht meldet, sein Problem, ich feier jetzt etwas Geburtstag und warte nicht auf irgendwelche Nachrichten. Schon gibt es den nächsten Sekt. Unterdessen ist der Mann aufgestanden und geht in meine Richtung. Auf dem Weg zu den Toiletten kommt er an unserem Tisch vorbei und geht direkt hinter meinem Rücken her. Auf dem Rückweg kniet er sich hinter meinem Stuhl kurz hin, tut so, als ob er seinen Schuh zumachen würde, zieht aber in Wirklichkeit nur mit einer schnellen Bewegung mein iPhone aus meiner Jacke und steckt es in seine Hosentasche. Dann steht er wieder auf und geht zurück zu seinem Platz an der Theke. Ich habe von all dem nichts bemerkt.
Da ich natürlich, entgegen vieler Warnungen, keinen Passwortschutz habe, kann der Mann ohne Probleme mein iPhone öffnen und auf all meine privaten Daten zugreifen. Als Erstes tippt er seine Nummer bei mir ein und ruft sich selber ein. Die eingehende unbekannte Nummer speichert er bei seinem Handy unter „Kleine geile Blonde” ein. Dann klickt er sich durch mein Fotoalbum und schickt ein paar der Bilder, auf denen ich drauf bin selbst zu. Bei einigen der Bilder leckt er sich genüsslich über die Lippen und scheint mit seinen Gedanken abzudriften. In dem Moment ruft mein Freund an, der bei mir unter Schatz gespeichert ist.
Ohne lange zu überlegen drückt der Mann den Anruf weg, öffnet das SMS-Verzeichnis und schreibt mit ihm hin und her:
„Bin spontan auf nem Geburtstag, kann gerade nicht rangehen.”
– „Ok, aber nicht mehr so lange oder? Meld dich wenn du nach Hause fährst. Komme dann vorbei und…”
„Heute nicht mehr, war ein langer Tag”
-„Ach komm, hätten die Wohnung doch mal für uns”
„Trotzdem. Brauche heute meine Ruhe!”
„Wünsche dir einen schönen Abend! Kannst dich ja nächste Woche melden…”
Mit einem Lächeln löscht er alle bis auf die letzte Nachricht. Er liest ein paar andere Nachrichten durch und stößt dabei auf eine von meiner Mutter:
„Hallo Liebes, sind gut in Zürich angekommen. Wir melden uns die Tage bei dir. Ansonsten sehen wir uns in einer Woche. Gruß und Kuss.”
Dann sucht er meinen eigenen Kontakt in meinem Telefonbuch und schickt sich auch den zu, inklusive meiner Adresse.
Ich habe inzwischen ein paar mehr Sekt und obendrauf noch Wodka getrunken und merke so langsam die Wirkung des Alkohols. So bemerke ich natürlich auch nicht, wie der Mann ein zweites Mal hinter mir vorbeigeht und das iPhone zurück in meine Jacke steckt und die Bar verlässt. Nach einiger Zeit und einem weiteren Wodka gucke ich, ob mir mein Freund endlich geschrieben hat. Ich sehe seine letzte Nachricht und bin sofort sauer auf ihn. Ohne die gelöschten vorherigen Nachrichten kann ich sie natürlich nicht richtig einschätzen. Trotzig packe ich mein IPhone wieder ein und ordere einen weiteren Wodka. Ziemlich angetrunken bestelle ich mir kurz darauf ein Taxi, verabschiede mich und gehe nach draußen. Das Taxi steht schon bereit, sodass ich direkt einsteigen kann. Ich sage dem älteren Fahrer meine Adresse und lehne mich zurück. Die Fahrt dauert etwa eine Viertelstunde, ich zahle, steige aus und gehe zu meinem Haus. Kurz, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, steigt der Bibliothekar aus seinem Auto, in dem er auf mich gewartet hat, und kommt auf mein Haus zu. In der Hand hält er meinen Schal…