Scheherazade 01
Zu jedem Fest, zu jedem Schmaus gehört im Orient ein Märchenerzähler. Auch hier, beim Geburtstagsfest für Sonja und dem Jubiläum des Wüstenforts war einer zugegen. Er begann:
Viele Geschichten aus Tausend und eine Nacht habe ich Euch schon erzählt. Ihr wisst sicher auch, wie die Geschichten entstanden sind.
Scheherban war König in Indien und China, sein Bruder Schahzeman war König in Persien. Beide Könige, die bis dahin weise und milde regierten und daher beim Volk beliebt und verehrt waren, wurden von ihren Frauen mit schwarzen Sklaven betrogen. Um sich abzulenken unternahmen sie gemeinsam eine Reise, bei der sie zur Erkenntnis gelangten, dass niemand und nichts Weiber davon abhalten konnte ihren Herren untreu zu sein. Selbst ein Geist, der sein Mädchen, das er allerdings durch Raub gewonnen hatte, in einen gläsernen Behälter mit vielen Schlössern sperrte, konnte eine hundertfache Untreue der so Eingeschlossenen nicht verhindern. Resigniert beschlossen sie, nie wieder zu heiraten und kehrten in ihre Reiche zurück.
Scheherban regierte weiterhin weise und gerecht, aber Frauen waren für ihn nur mehr Spielzeug für seine grausamen Gelüste, denen er jede Nacht frönte. Sein Wesir musste ihm allabendlich ein schönes Mädchen zuführen, an dem er seinen Zorn, seine Wut, seine Verachtung abreagieren konnte. Am darauf folgenden Morgen musste der Wesir das Mädchen abschlachten, wenn es noch lebte.
Ihr könnt Euch denken, wie entsetzt der Wesir war, als seine ältere Tochter Scheherazade von ihm verlangte, am folgenden Abend dem König zugeführt zu werden, um dieser grausamen Mordserie ein Ende zu bereiten. Er erzählte ihr eine Schauergeschichte nach der anderen, irgendwo her musste Scheherazade ja ihr Talent wohl gehabt haben, um sie von ihrem Entschluss abzubringen. Erfreulicherweise vergebens, wie wir alle wissen. Unter diesen Märchen war auch jenes von dem Kaufmann.
„Erzähle! Erzähle!” forderten die Schmausenden.
Der Wesir erzählte seiner Tochter Scheherazade:
Es war ein Mal ein reicher Kaufmann, der wohnte auf dem Lande und beschäftigte sich mit Ackerbau. Er kannte die Sprache aller Tiere, aber es war über ihn beschlossen, dass er sogleich sterben müsse, wenn er dieses Geheimnis jemandem verriete. Obwohl er also die Sprache der Tiere und Vögel verstand, so durfte er doch niemandem etwas davon erzählen.
Eines Tages hörte er ein Gespräch zwischen dem listigen Esel und dem dummen Ochsen an und musste darüber herzlich lachen. Da fragte ihn seine Frau:
„Warum lachst Du? Spottest Du etwa über mich?” Er sagte:
„Nein!”
„So sage mir, warum Du lachst!”
„Ich kann es Dir nicht sagen, denn ich muss ein Unglück befürchten, wenn ich ausplaudere, was die Tiere in ihrer Sprache reden.”
„Bei Allah, Du lügst!”, antwortete sie darauf, „Das ist nur eine Ausrede. Bei dem Herrn des Himmels, wenn Du es mir nicht sagst, bleibe ich keinen Augenblick mehr bei Dir!” Sie ging ins Haus und weinte bis zum anderen Morgen. Der Kaufmann fragte sie:
„Warum weinst Du? Fürchte Gott, nimm Deine Frage zurück und lass mich in Ruhe!”
„Ich lasse nicht davon ab, Du musst es mir sagen!”
„Du bestehst darauf, auch wenn ich Dir sage, dass ich dann sterben muss?”
„Du musst es mir sagen und solltest Du sterben!”
„So will ich zunächst Deine Familie und Deine Verwandten rufen!”
Er ging also und holte ihren Vater, ihre Verwandten und einige Nachbarn. Der Kaufmann sagte ihnen, sein Tod wäre nahe und alle um ihn herum weinten. Dann ließ er die Zeugen und Gerichtsleute kommen, gab seiner Frau, was ihr gebührte, machte für seine Kinder ein Testament, schenkte seinen Sklavinnen die Freiheit und nahm von seiner Familie Abschied.
Da liefen die Kinder weinend zur Mutter und baten:
„Lass doch ab von Deinem Willen, denn wüsste Vater nicht gewiss, dass er sterben muss, wenn er sein Geheimnis offenbart, so würde er all das nicht tun!” Sie ließ sich aber nicht abbringen und so weinten alle und trauerten.
Nun aber, meine Tochter Scheherazade, waren in diesem Haus fünfzig Hühner und ein Hahn. Während der Kaufmann schon sein Geheimnis lüften wollte, hörte er, wie sein Hund in seiner Sprache zu dem Hahn sagte, der eben auf ein Huhn sprang und danach auf ein anderes:
„Oh Hahn! Schämst Du Dich nicht vor Deinem Herrn, Dich heute so zu betragen?”
„Was gibt es denn heute?”, fragte der Hahn und der Hund antwortete:
„Weißt Du nicht, dass unser Herr trauert, weil seine Frau durchaus sein Geheimnis wissen will? Wenn er es ihr sagt, muss er sogleich sterben. Dabei springst Du umher und schämst Dich nicht?”
Da hörte der Kaufmann, wie der Hahn antwortete:
„Oh, der einfältige, närrische Mann! Wie hat doch unser Herr so wenig Verstand! Ich habe fünfzig Hühner und stelle sie alle zufrieden, mein Herr aber hat nur eine Frau und weiß sich mit ihr nicht zu helfen?” Da fragte der Hund:
„Aber was sollte er denn mit ihr beginnen?” Der Hahn antwortete:
„Er sollte einen Eichenstock nehmen, mit ihr in sein Zimmer gehen, die Tür schließen, über sie herfallen und sie so lange prügeln, bis sie schreit, dass sie keine Worte und keine Erklärung will. Er soll sie aber dann so lange schlagen, bis sie von ihrer Verrücktheit ablässt und er soll nicht aufhören, bis sie ihm nicht mehr widerspricht. Tut er das, so hat er Ruhe, bleibt leben und macht der Trauer ein Ende!”
Als der Kaufmann die Rede des Hahnes mit dem Hund hörte, stand er schnell auf, nahm einen Stock von Eichenholz, führte seine Frau auf sein Zimmer, riegelte die Tür ab und prügelte sie dann in einem fort. Sie schrie um Hilfe und sagte:
„Ich will Dich nichts mehr fragen!” Zuletzt, als er müde war vom Schlagen, öffnete er die Tür, die Frau bereute alles. Durch den guten Rat des Hahnes war die Trauer in Freude verwandelt.
Nun, meine Tochter Scheherazade, werde ich auch mit Dir so verfahren, wenn Du auf Deinem Willen bestehst!”
Ich glaube nicht, dass der Wesir seine Androhung in die Tat umgesetzt hat. Er musste seine Tochter, ihrem Willen entsprechend, dem König Scheherban zuführen. Ich bezweifle, dass der König sehr davon erbaut gewesen wäre, wenn er sie mit blutigen Striemen übersät bekommen hätte, wo er ihr diese Striemen doch selbst beibringen wollte!
Das bisher Beschriebene sind Zusammenfassungen und weitgehend wörtliche Zitate der ersten zwanzig Seiten der Märchensammlung Tausend und eine Nacht. Darüber könnte viel nachgedacht, gedeutet, hinein oder heraus philosophiert werden.
Mich aber interessiert einzig und allein die sehr prosaische Frage:
Wie ging das Prügeln der Frau des Kaufmanns vor sich? Es ist in der Märchensammlung meiner Meinung nach zu stiefmütterlich behandelt worden.
Meine Fantasien dazu kenne ich oder lasse sie mir zufließen. Und das Folgende ist eben mein eigenes Märchen dazu.
Sarah, des Kaufmanns neugierige Frau.
Der Kaufmann hat seine neugierige Frau in sein Schlafzimmer gezerrt und die Tür versperrt. Den Schlüssel hat er in den Kaftan gesteckt.
Nun steht er da, die Fäuste in die Hüften gestemmt und betrachtet sein Eheweib.
Was er sieht, gefällt ihm. Sie ist nicht mehr jung und neigt ein wenig zur Üppigkeit, aber auch das findet er reizvoll. Er kann bei ihr ins Volle greifen. Ihre schweren Brüste begeistern ihn immer wieder, die prallen Schenkel, der dralle und fleischige Popo und das Delta der Venus zwischen den Beinen lassen auch keine Wünsche offen. Ihr Gesicht ist jugendlich und gleichmäßig geblieben.
Während er sich bemüht hat, das sperrige Schloss der Tür zu schließen und den noch sperrigeren Schlüssel abzuziehen und im Sack des Kaftans zu verstauen, hat seine Sarah sich blitzschnell entkleidet und ist in ihren durchsichtigen, vorne offenen Kopulationsmantel geschlüpft, in der Meinung, er wolle sich wieder ein Mal mit ihr vergnügen. Ein sehr einseitiges Vergnügen, denkt er bei sich. Er streicht grinsend seinen Bart glatt. Sie räkelt sich verführerisch, lässt das Gewebe zur Seite gleiten und hüllt sich wieder ein, wirft ihm verführerische Blicke zu. Er sieht, wie sie immer heißer und geiler wird. Sie streckt ihm lockend die Arme entgegen, entblößt dabei ihre wogenden, wabbelnden Brüste und fragt in süßem Ton:
„Verrätst du mir jetzt, worüber du vorhin gelacht hast!”
„Nein, Sarah, ich verrate es nicht, denn das würde mich das Leben kosten, wie ich dir schon erklärte!”, gibt er ihr zur Antwort.
Schmollend blitzt sie ihn aus ihren dunklen Augen an.
„Das ist doch nur eine Ausrede, mein Herr Gemahl, nicht wahr?”
„Nein, Sarah! Bei meiner Ehre: ich vernahm etwas, das mich zum Lachen brachte!”
„Du lügst! Weder die Kinder, noch ich sprachen ein Wort. Nur der Esel schrie und der Ochse brummte. Gib zu, dass du an eine andere Frau dachtest. Du bist untreu!”
„Ich schwöre dir, Sarah, ich bin dir treu, ich liebe dich. Der Ochs und der Esel brachten mich zum Lachen!”
„Zum Lachen ist hier gar nichts, mein Lieber, außer deinen fadenscheinigen Ausreden!”, keift sie ihn an. „Erzähle mir sofort, warum du lachen musstest!”
„Wer nicht hören will, muss fühlen, meine liebe Sarah!”, erwidert er zornig und ist mit zwei Schritten bei ihr, reißt sie hoch und über seine Knie. Sie wehrt sich, keift, will sich befreien, verheddert sich aber in ihrem Gewand und beginnt zu schreien. Seine Hand klatscht schwer auf ihren drallen Hintern. Schreiend versucht sie vergeblich sich zu befreien, seine Hand abzuwehren. Er aber hat sie fest im Griff und haut vergnügt weiter zu, bis sich die Haut stark rötet. Er gibt sie frei.
Tief atmend steht sie vor ihm, halbnackt und reibt sich ihr Hinterteil, das sicher höllisch brennt. Sie ist erregt, hofft, dass er das Feuer, das er entfacht hat, liebevoll wieder löscht. Aber er fragt nur:
„Willst du immer noch wissen, warum ich gelacht habe, Sarah?”
„Selbstverständlich, mein lieber Herr Gemahl, will ich das wissen. Deine bisherigen Antworten waren ja nur Ausflüchte!”, zischt sie ihn an.
Er grinst und erwidert:
„Ja dann, liebe Sarah. Das einzige richtige Wort in deiner Frage war das Wort „Herr”. Ich bin dein Herr. Zieh sofort diesen Fummel aus und bring mir den Rohrstock her, dort aus der Vase!”
Sie stiert ihn fassungslos an und stottert:
„Du wirst mich doch nicht etwa schlagen wollen, Herr Gemahl, wie dein Gesinde oder unsere Kinder, wenn sie sich schlecht benehmen?”
„Doch, meine liebe Frau Gemahlin Sarah! Genau das will ich! Und wenn du nicht gehorchst, dann rufe ich den Knecht und lasse dich von ihm fesseln und öffentlich im Hof auspeitschen. Danach verstoße ich dich, ein ehrloses, ungehorsames Weib!”
Obwohl ungezügelte Wut in ihr lodert, lässt Sarah den durchsichtigen Mantel zu Boden gleiten, schreitet aufreizend langsam und mit den Hüften wackelnd zur Vase, nimmt den Rohrstock und überreicht ihn dem Kaufmann mit spöttischem Lachen. Offenbar ist sie der Meinung, dass er wieder ein Mal Lust hat, ein Schmerzspiel mit ihr zu treiben, wie schon öfter zum Aufheizen ihrer beiderseitigen Begierde.
Aber er reißt ihre Arme nach hinten auf den Rücken und hebt sie hoch, dass sie sich vor Schmerzen schreiend nach vorne beugen muss. Ehe sie noch ihrem Unmut über die grobe Behandlung Ausdruck verleihen kann, beginnt er unerbittlich ihren Arsch zu versohlen. Sie schreit, sie bittet, sie bettelt, sie droht, sie winselt, sie schreit, sie stöhnt und keucht vor Schmerz der in ihrem edelsten Körperteil lodert. Er hört erst auf, als die ersten Tropfen Blut aus den Striemen an ihrem Allerwertesten austreten und er vollkommen erschöpft ist.
Mit trüben Augen mustert er seine Sarah, wie sie schluchzend versucht, einen Blick auf ihr malträtiertes Hinterteil zu erhaschen, sich die betroffenen Stellen mit den Händen reibt und voll Entsetzen das Blut betrachtet, das an ihren Händen klebt.
Mit heiserer Stimme fragt er ein letztes Mal:
„Sarah, ich liebe dich! Um alles in der Welt: Willst du immer noch wissen, warum ich gelacht habe, auch wenn es mich das Leben kostet?”
Keuchend und mit heiserer Stimme antwortet Sarah:
„Ja, ich will!”
Da springt er zur Tür, mühsam sperrt er auf und brüllt dem draußen versammelten Gesinde zu:
„Meine Peitsche, schnell, schnell!” Sofort stieben einige Kinder los und kommen im Nu mit der Peitsche aus dem Stall wieder. Er bedankt sich, wirft noch einen finsteren Blick auf die blöde blickende, grinsende Menge und verschwindet wieder im Gemach.
Nachdem er die Tür wieder verschlossen hat, dreht er sich zu seiner Frau um. Sarah steht da, bleich im Gesicht und blickt ihm mit großen Augen entgegen.
„Du willst mich peitschen? Mich, deine Frau? Du musst verrückt sein!”
„Ich bin nicht verrückt. Ich bin traurig, traurig, der Gemahl einer Frau zu sein die ihre Neugier über das Leben ihres Mannes stellt! Ich werde dich peitschen bis du mich anflehst aufzuhören und mir schwörst, nie wieder Fragen zu stellen, deren Beantwortung für mich den Tod bedeutet.”
Er packt Sarahs Arme und verschnürt sie hinter ihrem Rücken so straff, dass sie keucht vor Schmerz und ihre Brüste straff nach vorne ragen. Er schwingt die schwere Peitsche gekonnt und lässt sie gnadenlos auf den nackten Leib seiner Sarah klatschen. Die heult auf, schreit sich die Seele aus dem Leib unter den nieder hagelnden Hieben. Sie versucht auszuweichen, rennt im Raum herum, sucht Schutz, aber vergebens. Das Leder klatscht auf ihren Körper, Striemen auf Striemen erscheint auf ihrer hellen Haut. Die Brüste, der Bauch, die Schenkel, immer wieder auch der schon von den Rohrstockhieben gezeichnete, gerötete Popo werden gezeichnet. Immer wieder rennt Sarah in ihrer blinden Verzweiflung, getrieben durch die höllischen Schmerzen, gegen ein Möbelstück, gegen die Tür, gegen die Mauer. Ihre gellenden Schreie müssen der draußen gierig harrenden Menge Schauer über den Rücken treiben. Immer wieder fragt der Mann mit der Peitsche seine Frau:
„Schwörst du?”
Immer wieder ist die Antwort:
„Nie!”
Kaum noch ein Striemen hat Platz auf dem Körper Sarahs, nur ihr Gesicht ist verschont geblieben und schön wie eh und je. Und das Zentrum der Lust. Wütend über den Starrsinn Sarahs sucht sich seine Peitsche nun immer wieder den Weg zwischen ihre Beine. Gellende, irre, Schreie Sarahs. Sie stolpert, fällt, kann nicht mehr hoch, wälzt sich kreischend und wehrlos unter seinen Hieben auf dem Boden.
Sarah kann nur noch krächzen:
„Herr, ich schwöre!”
Er eilt zu ihr hin, löst ihre Fesseln, nimmt sie in die Arme und küsst ihre bebenden Lippen.
Bald hört die Menge draußen nur noch sehr gewöhnliche, eindeutige Geräusche aus dem Gemach und zerstreut sich, grinsend und zufrieden mit dem Geschehenen.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie im Heute. Da erhebt sich aber die Frage, warum hier ein Märchen steht, mit tausenden von Worten? Wo doch Nietzsche in deinem Werk „Also sprach Zarathustra” ein altes Weiblein zu Zarathustra sagen lässt: „Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!” Das sind acht Wörter! Und doch ist dieses Zitat in der hier verwendeten ursprünglichen Form wesentlich vieldeutiger als die lange Geschichte aus „Tausend und einer Nacht”
In dem Märchen und in meiner Fantasie dazu ist die Sache klar und eindeutig: Die Frau ist Besitztum des Mannes. Er kann mit ihr verfahren wie es ihm in den Sinn kommt. Das ist pures Patriarchat archaischen Ursprungs.
Nietzsches Originaltext dagegen ist mehrdeutig. Vor allem beinhaltet er primär eine Frage! Die Antwort darauf kann sein: „Du darfst die Peitsche nicht vergessen, um Dein Patriarchat zu verteidigen!” Die Antwort könnte aber auch lauten: „Pass auf! Die Frauen schwingen die Peitsche! Nimm Dich in Acht!” Also ein eher feministischer Ansatz.
Seufz, seufz! Wie schwierig sind doch die modernen Zeiten für einen wirklichen Mann. Mir kommen gleich die Tränen! Des Lachens? Oder des Weinens?