Aus dem Netz, für das Netz.
Autor mir nicht bekannt.
Haus Salem 33
Kurz bevor das Abendessen um war, klatschte Schwester Antonia in die Hände: „Mädchen, heute werden die erwählten Schülerinnen zum ersten Mal ans Kreuz gehen, damit sie sich allmählich daran gewöhnen. Die neuen Kreuze sind heute Nachmittag geliefert worden und jedes Mädchen wird sein eigenes Kreuz in die Aula tragen.”
Wir auserwählten Mädchen schauten uns mit großen Augen an. Furcht stand darin. Natürlich würden wir bis zur wirklichen Kreuzigung nur gefesselt werden, aber die Angst war da, die konnte man nicht wegmachen. Sie würde uns begleiten, bis zu dem Tag, an dem wir wirklich angenagelt würden. Dass man uns den genauen Tag nicht nannte, verstärkte die Angst eher noch.
Nach dem Abendessen mussten alle Mädchen von Haus Salem in der Aula erscheinen. Die zur Kreuzigung auserwählten Mädchen mussten sich nackt ausziehen und in Zweierreihe nach draußen marschieren, um die Kreuze abzuholen. Jedes Mädchen hatte sein eigenes Kreuz, das von einer Schreinerei genau auf Maß angefertigt wurde. Dazu hatte man unsere Körper vermessen. Die Kreuze lagen nebeneinander auf dem Schulhof, insgesamt sechsunddreißig Stück. Es waren so viele, weil ab der fünften Klasse ein Mädchen, das einmal erwählt wurde, jedes Jahr ans Kreuz gehen musste. In der Fünften gab es nur Janina Brill, in der Sechsten war Tanja Dengel erwählt worden und im Jahr zuvor Silke Burg, so waren es schon zwei Schülerinnen. Bei uns in der Siebten waren wir zu dritt und von der zwölften Klasse mussten acht Mädchen die Nagelung ertragen. Stefanie Heinlein aus der Zwölften war zurzeit das am häufigsten gekreuzigte Mädchen der Schule. Sie war in der Fünften auserwählt worden und seitdem jedes Jahr ans Kreuz gegangen. Dieses Jahr würde sie zum letzten Mal angenagelt werden.
Bei dem Gedanken, dass ich selber sechsmal die Kreuzigung erdulden musste, wurde mir ganz anders. Ich fand es furchtbar ungerecht, dass es in Haus Salem Mädchen gab, die zigmal hintereinander ans Kreuz mussten und wiederum andere Mädchen, die nie gekreuzigt wurden. Gerecht wäre ein anderes System gewesen, nämlich jedes Jahr neue Mädchen zu erwählen. Da konnte es natürlich per Zufall dazu kommen, dass ein Mädchen Pech hatte und mehr als einmal gekreuzigt wurde, aber so oft würde das nicht passieren.
Alle Mädchen von Haus Salem schauten uns zu, wie wir auf dem Schulhof zu unseren persönlichen Kreuzen schritten, und alle hatten eine gewisse Furcht in den Augen stehen, denn schon im nächsten Jahr konnte es sie selbst treffen. Nur die Schülerinnen der zwölften Klasse, die nicht erwählt waren, wirkten gelassen. Sie konnten nicht mehr ausgewählt werden. Mit Klasse 12 endete der Aufenthalt im Internat. Wie ich diese Mädchen beneidete!
Da lagen die Kreuze. Sie waren aus naturbelassenem Holz. Die Balken waren zwanzig Zentimeter breit und fünfzehn Zentimeter tief. Für die Füße gab es ein schräg abfallendes Podest. Die Füße würden in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel nach unten zeigen, wenn sie auf diesem Podest standen.
Ich fand mein Marterholz. „Sigrid Schmidt, 7.Klasse” stand oben auf einem angenagelten kleinen Messingsc***d. Mit weichen Knien beugte ich mich hinab und hob das Kreuz auf. Es war nicht so schwer, wie ich befürchtet hatte. Man hatte eine leichte Holzart gewählt, die dazu noch schön hell war. Wie unschuldig das Holz aussah! Und doch würde ich daran die entsetzlichsten Qualen erleiden, die man sich vorstellen konnte. Aber das lag in der Zukunft. Fürs erste würde ich nur gefesselt werden. Am Querbalken waren in genau ausgemessenem Abstand Lederbänder straff um den Balken gespannt. Daran waren Lederschellen befestigt, in die meine Handgelenke kommen würden. Für die Fußknöchel gab es die gleichen Lederschlaufen. Man konnte sie mit einer Schnalle verschließen wie einen schmalen kleinen Gürtel. Für die Nagelung würden die Schwestern diese Lederfesseln entfernen. Dann würden unsere Hände und Füße mit dicken Zimmermannsnägeln ans Holz geheftet werden.
Als ich beim Kreuzschleppen daran dachte, wurde ich vor Angst ganz zittrig. Auch andere Mädchen hatten weiche Knie. Das erkannte ich genau an der Art wie sie gingen. Wir trugen unsere Kreuze über der Schulter in die Aula. An den beiden Längsseiten gab es je 18 Flaschenzüge. Wir mussten unsere Kreuze auf den Boden legen und das Kopfteil zur Wand schieben. Oben im aufrechten Balken war ein stabiler Metallring eingeschraubt. Durch diesen Ring wurden die Seile der Flaschenzüge gezogen und verknotet. Anschließend mussten wir Kreuzmädchen uns mit dem Rücken auf die Kreuze legen, die Arme ausbreiten und die Beine schließen. Andere Schülerinnen kamen herbei und schnallten uns darauf fest. Bei mir waren es Hannah und Dorothee, die mir die Handgelenke und Knöchel festschnallten.
Kaum war ich festgeschnallt, zogen sie am Flaschenzug. Mein Kreuz wurde an der Wand in die Höhe gehievt. Ich stieg auf und sah von oben auf meine Mitschülerinnen hinunter. Schließlich stand mein Kreuz senkrecht. Unten ragten zwei Halterungen aus der Wand, mit denen es fixiert wurde, so dass es nicht nach vorne fallen konnte Fertig war meine erste Kreuzigung. Ich schaute mich in der Aula um. Überall wurden Kreuze hochgezogen, an denen nackte Mädchen hingen. Unsere Füße befanden sich in Kopfhöhe der Schülerinnen, die unten blieben und zu uns aufschauten.
Nachdem alle sechsunddreißig Mädchen gekreuzigt waren, trat Schwester Antonia zu dem Pult an der hinteren Stirnseite der Aula.
„Liebe Mädchen von Haus Salem”, hob sie an, „wir haben heute zum ersten Mal die auserwählten Schülerinnen an ihre Kreuze geschnallt, damit sie sich daran gewöhnen. Sie werden nun täglich einmal an diesen Kreuzen hängen. Anfangs nur eine Stunde, später länger. Sie müssen drei Stunden klaglos aushalten lernen für die wirkliche Kreuzigung draußen im Tal. Dann müssen sie drei Stunden angenagelt verbringen. Damit sie sich gewöhnen, werden sie morgens im Unterricht auch gekreuzigt am Unterricht teilnehmen, und dabei auch teilweise auf T-Kreuze gebunden. Heute bleiben sie eine Stunde hängen. Ihr anderen habt nun Freizeit.”
Die Mädchen zerstreuten sich. Einige blieben in der Aula und gingen auf und ab und schauten sich die nackten Mädchen an den Kreuzen an. Mir wurde besonders viel Aufmerksamkeit zuteil, weil meine Schamlippen noch immer zusammengenäht waren. Irgendwann hatten sie sich alle satt gesehen und verließen die Aula. Wir Kreuzmädchen blieben allein zurück.
Ich schaute zu Agnes Manderscheidt, die neben mir hing und sah die Furcht in ihren Augen. Sie war bereits zweimal angenagelt gewesen.
„Sag Agnes, ist es sehr schlimm, angenagelt zu sein?” fragte ich zaghaft. Mit Lederschlaufen ans Kreuz geschnallt zu sein war in keiner Weise schmerzhaft. Es zog an den Armen und Schultern, ähnlich wie am Kartengalgen, aber weil meine Füße auf dem abgeschrägten Podest aufstanden, war es nicht arg.
„Es ist unvorstellbar grauenhaft”, antwortete Agnes. „Solange du nur gefesselt bist, kannst du es dir nicht vorstellen. Das geht nicht. Man muss es erlebt haben.”
„Die Fesselung tut mir nicht weh”, sagte ich.
„Jetzt noch nicht”, bestätigte Agnes. „Aber warte ab. In einer Stunde ist es anders, und drei Stunden sind schlicht unerträglich. Die Arme fangen an wehzutun und man drückt dauernd die Beine durch, um diesem ständigen Zug auf Brust, Schultern und Arme zu entgehen. Wenn man angenagelt ist, kommen noch die Schmerzen der Nagelung dazu und die sind schlicht unaushaltbar.”
„Unaushaltbar”, sagte ich leise. „Und doch müssen wir es aushalten.” Ein Schauer überlief meinen nackten Leib.
„Ja”, sagte Agnes. „Das müssen wir.”
Ich versuchte krampfhaft an etwas anderes zu denken, um mich abzulenken, doch es ging nicht. Dauernd sah ich mich auf dem Kreuz liegen, festgehalten von vier Schülerinnen der höheren Klassen und dann kam eine der Schwestern mit einem Hammer und vier Nägeln. Eine grausige Vorstellung.