Die beiden Frauen sahen noch eine Zeit lang den Kühen und Bullen zu.
„Komm nun, wir müssen noch die Ställe ausmisten und auch die richtigen Tiere warten noch auf uns”, drängte Karina.
„Hmpf. Das grenzt ja schon an Arbeit!”, maulte Anja.
„Na ja, was hast du denn gedacht, warum ich dich gefragt habe, ob du mir hilfst?”, wollte Karina nun wissen.
„Nun, äh …”, kam Anja sofort ins Schleudern.
„Du hast gedacht, dass das so wird wie damals, als wir Kinder waren und den ganzen Tag draußen spielen konnten, richtig?”, grinste Karina.
Anja nickte und ließ den Kopf hängen.
„Ich bin eine doofe Ziege, nicht wahr?”, fragte sie ihre Kusine.
Die nahm sie begütigend in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr:
„Du bist eine sehr kluge Frau. Du hast bloß keine Ahnung Landleben. Aber das bringe ich dir schon noch bei – wenn du magst.”
Anja schob ihre Kusine von sich und sah sie verwundert an.
„Was heißt: Wenn du magst?”
Karina drückte Anja wieder an sich und erklärte:
„Nun, wenn du nicht hierbleiben magst, kannst du gerne jederzeit wieder gehen. Ich bin auch nicht böse deswegen. Das Landleben ist nicht für alle geeignet. Dann kannst du mich besuchen, wenn du Lust hast.”
Anja schniefte laut, dann flüsterte sie: „Karinchen, du bist so gut zu mir. Ich möchte hierbleiben und dir helfen. Bitte zeige mir, wie alles funktioniert, damit ich dir auch eine Hilfe sein kann.”
Anja fiel das Sprechen schwer dabei.
„Danke! Das Angebot nehme ich gerne an. So und jetzt ist Fröhlichkeit und keine Traurigkeit mehr!” Karina drückte Anja noch einmal fest an sich, so dass die glaubte, ihre Knochen knacken zu hören.
„So und jetzt geht’s ans Ausmisten!”, ordnete Karina an.
„Ja, das machen wir!”, bestätigte Anja und versuchte, motivierend zu klingen.
Sie gingen zurück zum Stall und trieben die restlichen Tiere auf ihre Weiden. Dann begann die richtige Stallarbeit. Mit Mistgabeln bewaffnet luden die beiden den Mist, der sich seit dem letzten Morgen angesammelt hatte, auf Schubkarren und fuhren ihn dann auf den Misthaufen.
Danach gingen sie in die Tenne, zerrten einen Ballen Stroh zu einer Öffnung, die direkt in den darunter liegenden Stall ging und warfen ihn hinunter. Durch die Wucht des Aufpralls rissen die Schnüre, die den Ballen zusammen hielten und es gab eine schöne „Explosion”. Karina wartete, bis sich der Staub ein wenig gelegt hatte und sprang dann hinter her.
Anja blieb oben stehen.
„Komm, spring!”, rief Karina hinauf.
Anja schüttelte den Kopf.
„Früher hat dir das sehr viel Spaß gemacht. Weißt du noch?”, machte ihr Karina Mut, die unten auf sie wartete. Anja schloß kurz die Augen und sprang. Es war genau so wie früher, der Aufprall weich und kitzelig. Anja kreischte vor Freude.
„Wusste ich es doch!”, lachte Karina, als sie Anja auf die Beine half.
„Hilf mir mal das Stroh zu verteilen!”
Damit bekam sie eine Gabel in die Hand gedrückt und Karina zeigte ihr, wie sie das neue Stroh in die Boxen verteilen musste. Nachdem Anja heraus hatte, wie man das Stroh richtig auf die Gabel auflud, ging die Arbeit schnell voran.
Als die Stallarbeit vorbei war, holte Karina das Zaumzeug von Max aus dem Schuppen.
„Was willst du denn mit dem Zaumzeug?”, wollte Anja wissen. Statt einer Antwort bekam sie die Anweisung:
„Hol mir bitte noch Axt und Säge aus dem Schuppen!”
„Aber wozu brauchst du das alles?” Anja ließ nicht locker.
„Wir werden heute ein wenig Feuerholz machen”, erklärte Karina, „Solche Kaminfeuer brauchen ziemlich viel Holz, weißt du?”
Anja war zwar nicht begeistert, wollte aber nicht, dass Karina das erfuhr. Also machte sie gute Miene zum gar nicht so bösen Spiel und trug das Werkzeug hinter ihrer Kusine her, die das Zaumzeug zu Max auf die Weide trug.
Nachdem Max „angezogen” war, trottete er auch schon los. Obwohl Karina nichts sagte und hinter ihm her lief, so dass er sie nicht sehen konnte, schien er genau zu wissen, was seine Herrin von ihm erwartete. Max hielt sich an den Weg, den die Frauen gestern entlang gegangen waren, als sie im Wald badeten.