Er lag in der Toilette, die Beine angewinkelt, den Kopf unbequem verdreht, die Schultern leicht nach vorne gezogen, damit er in die schmale Nische zwischen Wand und Muschel passte. Er fühlte wie die Bodenkälte durch die Gummistrümpfe in seine Beine kroch, außerdem zog es durch die Oberlichte und er dachte, dass er doch eine Decke hätte unterlegen sollen. Dieser Komfort war jetzt schwer nachzuholen, denn wie seine Beine waren auch seine Arme fest verkettet und der Schlüssel für die Handschellen, den er für alle Fälle als einzigen in Reichweite gelegt hatte, war nur durch umständliche und langwierige Verrenkungen zu erreichen. Das war ja auch gut so.
Allmählich tropfte ihm der Schweiß aus den Achseln, lief in Tränen über seinen Bauch, wo es ihn ein wenig kitzelte und sammelte sich, weil das Gummihemd keine andere Möglichkeit bot, im Slip. Dort verursachte er einen geringfügigen, aber beharrlichen Juckreiz, der sich mit dem stetig auf- und abwallenden Ziehen seines eingeschnürten Schwanzes vermischte. Der war, wie immer, wenn er seine Geilheit über- und sein Durchhaltevermögen unterschätzte, zu fest eingepackt, und wie immer befiel ihn auch diesmal die archaische Angst, zu weit gegangen zu sein und seinem guten Stück bleibende Verletzungen zugefügt zu haben; am Ende müsste sein Schwanz gar -? Nein, und doch: der Gedanke daran törnte ihn so sehr an, dass er dachte, das müsste er doch mal probieren – wenn’s risikolos wäre.
Er beruhigt sich wieder und konzentriert sich auf seinen Po, in dem zu dessen Erbauung ein Dildo steckte. Der ließ ihn das auch kräftig spüren, denn in seiner erquicklichen Lage hatte er die Backen fest angespannt, um sich möglichst krumm zu machen – keine Kleinigkeit bei einsneunzig Körperlänge. Doch wie sagte seine Herrin so süffisant? Sie liebe es, große Männer klein zu machen. Und das wollte er ja schließlich auch: IHR gefallen.
Wenn sie nur endlich käme! Reflexartig wollte er auf die Uhr blicken, doch hatte er zum einen keine bei sich und zum anderen war ihm durch die geschlossene Kopfmaske ohnehin jeder Blick verwehrt. Wie lange mochte es schon her sein, dass er sich hier eingeschlossen hat? Eine halbe Stunde? Zwei Stunden? Er wusste es nicht und im Grunde war es das, was er wollte: das Zeitgefühl verlieren, seinen gegenwärtigen als immerwährenden Zustand erleben, aufgehen in seiner gummibedampften Ausgeliefertheit, alle Sinne einzig auf IHR Kommen ausgerichtet.
Immer wieder musste er den Speichel schlucken, der sich durch die unnatürliche Schlauchatmung in seiner Mundhöhle gesammelt hatte und ihm das Atemholen erschwerte. Zudem erzeugte das Halsband und die schwere Eisenkette, mit er seinen Hals an das Abflussrohr geschlossen hatte, einen beständigen Kloß im Hals, dessen Würgen er sich erträglich zu machen suchte, indem er sich vorstellte, SIE würde ihn an der Leine ziehen. Als erstes, nahm er sich vor, würde er sie bitten, ihn von dem Schrittband aus Hartgummi zu erlösen, das sich, so bildete er sich ein, mit jedem Atemzug enger um seine Hüfte legte. Verdammt, wo bleibt sie denn so lange? Sie wusste ja nichts von seiner Anwesenheit und war vielleicht nach dem Büro noch weißgottwohin gegangen! Er hätte ihr doch sagen sollen, dass zuhause eine Überraschung auf sie wartet, anstatt im guten Glauben an ihren geregelten Tagesablauf in einer orthopädisch eindeutigen Fehlstellung zu warten. Jetzt er war es bestenfalls sechs Uhr abends. Was, wenn sie erst um elf käme? Wenn sie die Nacht auswärts verbrachte? Wenn sie tatsächlich erst käme, wann SIE wollte?
Bei dieser Vorstellung wurde ihm bang. Manchmal musste sie beruflich verreisen, für wenige Tage nur, aber doch. Schluck. Wie sollte er das so lange aushalten, wie würde er das überstehen, wie – der Schlüssel, richtig, er hatte ja den Schlüssel für die Handschellen in Reichweite gelegt und wenn sie erst einmal offen waren, war der Rest eine Kleinigkeit. Er tastete den Boden ab. Nichts. Streckte die Arme, soweit er konnte. Rückte ein wenig aus der Nische vor. Das brachte aber nur ein paar Zentimeter, denn die Kette an seinen Handschellen gab nicht nach. Verflucht. Er versuchte, seine Beine zu bewegen, doch die waren zu gut zusammengeschlossen, außerdem kam er dann auf der Kette zu liegen und tat doch zu weh. Er hätte schreien mögen. Durch die geschlossene Maske? Wer sollte ihn da hören? Außerdem war die Wohnung ein Altbau, dicke Wände, da drang nichts durch, schon gar nicht dieses dumpfe Stöhnen, das er nur mit Mühe herausbrachte. Er gab sich einen Ruck. Jetzt bloß keine Panik. Bloß nicht.
Da hatte er ja, was er wollte: total ausgeliefert sein. Völlig wehrlos daliegen, bis SIE ihn erlöste. Die Vorstellung gefiel ihm. Aber – die Entspannung schien mit einem Mal verflogen – das war keine Vorstellung, keine Phantasie in einem warmen, weichen Bett. Das war alles echt: der harte Boden, die unnachgiebigen Ketten, das enge Gummizeug. Und jetzt tat ihm auch noch sein Knie zunehmend weh, es lag wohl ungeschickterweise auf dem Kettenschloss – aber das war doch nicht so spitz?! Der Schlüssel. Er lag die ganze Zeit darauf und hatte nichts gemerkt. Endlich war er wieder Herr seiner Lage. Ihr würde er auch was erzählen, weshalb sie s spät käme. Es ist doch wirklich eine Zumutung, ihn so lange schmachten zu lassen. Insgeheim fühlte er, dass sie wusste, dass er hier war. Sie wollte ihn wohl auf die Probe stellen, aber das, zürnte er, ging zu weit. Das ist doch schließlich eine Inszenierung, ein Spiel. Wenn sie ihn ernsthaft quälen will, hat sie offensichtlich nicht begriffen, was SM bedeutet. So eine Pleite. Jetzt aber genug damit. Nichts wie die Handschellen geöffnet und dann raus hier. Er tastete mit dem Schlüssel ins Schloss, als er jäh aufhorchte.
Schritte. Stöckel. Das wird doch nicht …? Er hörte, wie die Eingangstür aufgeschlossen wurde. Stille. Dann kamen die Schritte näher, stockten vor der Toilettentür. Ein harter Stoß – durch die geöffnete Tür drang kalte Luft vom Flur. Er verharrte bewegungslos, atmete flach, spannte die Muskeln an. „Was für ein schöner Anblick!”, sagte sie sanft und trat ihm ein paar Mal energisch in die Seite. Sein „Danke, Herrin!” kam nur verstümmelt bei ihr an, doch sie verstand ihn trotzdem. Sie zog seinen Kopf zu sich, beugte sich zugleich ein wenig vor und küsste ihn auf die Stirn. „Mein Sklave wird doch sicher durstig sein, nach dieser Anstrengung?” fragte sie nachdrücklich-besorgt. Er nickte heftig und war in Gedanken schon bei dem Rotwein, den sie nun beide, in einem warmen Bad liegend, genießen würden. Er würde ihr erzählen, wie es ihm in seiner Selbstfesselung ergangen sei, sie würden miteinander schlafen und der Gedanke an seine eben erlebte Situation würde beide in völlige Ekstase bringen. „Warte!” sagte sie scharf und er schloss, dass sie wohl gegangen war, die übrigen Schlüssel zu holen – aber dieser Ton? War sie schlecht gelaunt? Na, er würde sie nachher fragen, in der Wanne.
Sie kam zurück und stand nun dicht vor ihm. Er merkte, wie sie an seinem Atemschlauch hantierte – der war nun wirklich nicht so dringlich, wo ihn doch die Gelenke schmerzten. Undeutlich nahm er wahr, dass sie irgendetwas an dem Schlauch befestigte – und dann schoss ihm auch schon ihr Urin in den Mund. Er musste schlucken, konzentriert und rasch, damit er in den Pausen, die sie machte, Luft holen konnte. Sie wartete nicht auf ihn. In gleichmäßigem Rhythmus füllte sie ihn ab und achtet nicht auf seine mal weniger, mal deutlich hörbaren Schluckbeschwerden. Als sie fertig war, entzog sie ihm den Schlauch und presste ihre Stöckel auf seine Lippen.
„Dann bedank dich mal schön!”, herrschte sie ihn an, als sie befand, dass es genug war, befestigte sie den Schlauch wieder unverrückbar an seiner Maske. Sie nahm sämtliche Schlüssel zu sich, klimperte damit vor seinem Ohr und spöttelte: „Das du mir keine Dummheiten machst!”. Sie hielt seinen Kopf fest, gab ihm eine schallende Ohrfeige und sagte ihm ein zärtliches „Gute Nacht, mein Schatz!”. Die Tür fiel ins Schloss.